April 2017
Recht bequem lasse ich mich mit Theres und Hans von der Seilbahn von Rivera TI auf die Alpe Foppa hochtragen. Die eigenwillige Aussichts-, Tunnel-, Brücke-, Arena und Alleszusammen Kapelle von Botta bietet von Innen und Aussen Hingucker und Nachdenkliches über die Symbolkraft der Architektur. Auf dem Tamaro liegt noch Schnee, was sogar Hans hindert, weiter aufzusteigen.
In Mergoscia haben Carole und Ivo, ein Neffe, vor Jahren geheiratet. Damals haben wir nur grad die Kirche und den Innenhof für das Apéro kennen gelernt. Heute einen grossen Teil des Dorfes an diesem steilen Abhang über dem Stausee, der am Ausgang des Verzasca Tales über Gordula liegt.
Boschetto zerfällt etwas abseits von Cevio im Valle Maggia. Ein fast total verlassenes Geisterdorf. Über dem Dorf ein hoher Wasserfall. Wo das Wasser tosend aufklatscht wird es gefasst und wie alle Bäche im Maggia Tal zu einem einzigen Elektrizitätswerk hin abgeleitet.
Eine dicke Wasserleitung braucht auch der Steinbruch bei Boschetto. Gebannt schauen wir drei Arbeitern zu, wie sie allein mit technischen Hilfsmitteln Riesenquader scharfkantig exakt aus dem Fels herausschneiden und auf den Schotterboden krachen lassen. Die wenigen Alleskönner italienischer Abstammung beurteilen den Granitfelsen, schneiden, bohren, sprengen, schieben und fahren mit dem Bagger die zerteilten Kolosse weg. „Kommt herunter und schaut euch dieses Werk aus der Nähe an“, laden sie uns mit Zurufen ein, die Italiener: „Non e pericoloso“. Sooou einladend und interessant.
Einen weiteren Marmorbruch finden wir in Piano di Peccia, einem Seitenarm des Val Lavizzara. Die Botta Kapelle in Mogno, wenige Kilometer hinter Peccia, besuchen wir diesmal nicht. Zum Einen haben wir sie auf früheren Touren besungen, kein genügender Grund es nicht wieder zu tun, zum Andern aber haut mich das eine Bier beim Risotto mit Gorgonzola und Spargeln in Cevio nachmittags völlig in den Sitz.
Gern würden wir noch das neue knospenförmige Restaurant von Botta auf dem Monte Generoso und die Aussicht von dort oben bewundern. Die Bahn öffnet aber erst am 8. April.
Am Freitag vor dem Palmsonntag verlassen wir das noble Campofelice in Tenero. Die Osterhasen hoppeln mit Wohnwagen und Wohnmobilen in den Tessin ein! Dieser Invasion wollen wir entfliehen, zumal wir das Camp und den Tessin bisher gediegen ruhig erleben.
Auf halbem Weg nach Vilters treffe ich auf dem San Bernardino meinen Hausarzt Luzius mit seiner Familie. Er überlegt sich immer wieder, ob er mich mit genügend Flickzeug und Medikamenten für den Notfall ausgerüstet hat. Sooou weise vorausschauend!
Die törichten Jungfrauen hatten kein Öl für ihre Motoren mit, die Klugen schon. So ungefähr erzählt Jesus eine Geschichte zum Thema, seid klug und bereit. Klug und bereit will ich sein! Also bleibe ich nach Freude und Zuversicht ausstrahlenden Ostergottesdiensten in St. Gallen und fahre am ersten Arbeitstag zu meiner IVECO Garage, um ein paar wichtige Ersatzteile zu laden. Motoröl, Ölfilter, Luftfilter, Keilriemen und Spanner, Bremsbacken, Scheibenwischer etc. Das Womo hat immerhin schon hundertachtzigtausend Kilometer und mich auf dem Buckel. Ein Ölwechsel steht an. Alles Kleinigkeiten für Vater Adrian Fürk und seinen Sohn Simon mit der ganzen Werkstattcrew, obwohl die Hallen mit wartungsbedürftigen Fahrzeugen aller Art gefüllt sind. Am gleichen Abend soll ich das Womo fixfertig gepflegt und ausgerüstet abholen können. Nur eben… Simon entdeckt beim Ölwechsel Stahlspäne im Getriebe! Was das bedeutet?
Getriebe und Antriebstangen an der Hinterachse werden zerlegt. Die Zahnradwelle der Differenzialsperre ist einen Zentimeter weit abgenagt. Die beschädigten Teile werden ausgemustert. Neue bestellt. Geliefert. Zusammen- und eingebaut. Nach vier Tagen ist das Wohnmobil wieder (wieder und wieder!!!) fahrbereit. Wie lange hätte es im mückenschwärmenden sibirischen Sumpf, in der hitzeflimmernden Wüste Gobi oder im schneebedeckten Gebirge von Kirgistan gedauert? Alle Menschen, denen ich davon erzähle, reagieren genauso wie ich: „Ein Glück, dass dieser Schaden noch rechtzeitig bemerkt und unverzüglich behoben wurde.“ Fürk AG sei Dank. Sooou ein Glück!
Trogen im Appenzeller Ausserrhoden weisst aus der Vergangenheit viele mehrstöckige, herrschaftliche Steinhäuser auf. Wie kommt es nur, dass man einen wichtigen Teil der Webereiindustrie soweit ins damals beschwerlich zugängliche Hinterland über dem Rheintal aufgebaut hat?
Im Rheindelta beim Rohrspitz ackert ein Fasan im Balzanzug mit zwei nüchtern gekleideten Frauen. Hoppelnde Hasen, Rehe und einen Kibiz.
Thurau bei Flaach ZH, Nähe Schaffhausen, wo die Thur in den Rhein fliesst, weitet sich ein grosses Naturreservat mit einem Campingplatz und vielen Wanderwegen.
Ob das Frontbett über der Fahrerkabine den Erschütterungen gelöcherter Strassen standhalten wird? Mit Hans ringe ich um eine praktikable Lösung, das herunterklappbare Bett vor dem Herunterstürzen zu sichern. Als Marco nach Hause kommt, ich stehe in Vilters immer wieder auf seinen Parkplätzen, unterbreiten wir ihm den Vorschlag. Marco bringt unverzüglich das nötige Material, sägt und feilt, winkelt und bohrt, bis zwei Stützen den möglichen Absturz perfekt verhindern. Sooou wichtig!
Theres und Hans laden am 25. April, an ihrem Hochzeitstag, meine Geschwister, Schwager, Schwägerinnen, Beatrice und mich zu einem „Gute Reise Essen“ in die Flumserberge. Sooou schööön!
März 2017
Bei Carthago in Arbon hole ich mir Vorrat an Ersatzteilen für die Reise ab Mai. Es sei ratsam neben einer Wärmepumpe auch einen Filter für die Wasserpumpe mitzunehmen. „Kannst du mir zeigen, wo ich das Ding dann wechseln muss?“ „Lass mal etwas Wasser laufen, damit ich höre, wo deine Pumpe eingebaut ist. Ok, hier im Sitz.“ Ich baue die Polster weg und der Mechaniker blickt auf eine ziemlich ungepflegte Wasser-, Heizungsanlage. Er greift unter die Pumpe und stellt Feuchtigkeit fest. Die Pumpe leckt. Ohne Termindiskussion wechselt er auf der Stelle die Pumpe und den Filter.
Ein relativ neues Gesetz verlangt eine Stahlbandhalterung für die beiden Gastanks. Diese Halterung habe ich aus Deutschland mitgebracht. Wer baut sie ein? Auch für den Mechaniker in Arbon ist es wegen Platzmangel im Tankkasten eine knifflige Sache, an der ich total gescheitert wäre. Er schafft es!
„Manche Leute schreien Zeter und Mordio bei solch unvorhergesehenen Reparaturen,“ klagt Daniel und lobt meine Gelassenheit. So ticken Menschen verschieden! Ich bin heilfroh, dass er die Mängel frühzeitig entdeckt und behoben hat.
In Blaubeuren (D) hat es nach dem konfessionellen Übertritt zum Augsburger Bekenntnis einige evangelische Äbte gegeben. Sie verwalteten das Kloster in gleicher Manier wie zuvor die Katholischen.
In Bad Urach (D) wurde Fürst Eberhard geboren. Er half bei der Übernahme der lutherischen Lehre und katholischen Klöster im Baden Württenberg. Er versprach, jedem Kloster eine Schule beizufügen. In Tübingen gründete er 1477 die Eberhard Karls Universität. Nach den Studentenunruhen 1968/69 gaben die linken Studenten der Universität den inoffiziellen Namen „Ernst Bloch Universität“. Es störte die Aufmüpfigen zu Recht, an einer Universität zu studieren, deren Gründer antijudaistisch gesinnt war. Mit der studentischen Namensänderung, die nie offiziell nachvollzogen wurde, hätte sich auch an der Gründungsgeschichte nichts geändert, sondern sie nur vernebelt.
Der Grund meiner Reise nach Winterbach (D) bei Stuttgart ist ein Abschleppseil. Bärbel und Hans, haben mir das Abschleppseil mit 35 Tonnen Zugkraft bei einem Landmaschinenausstatter erhandelt. Ich hole es ab. „Wie lange nehmt ihr euch Zeit für mich?“ „Heute ist Lorenz-Tag!“ bekomme ich zur Antwort. So plaudern, essen und wandern wir den ganzen Tag. Sooou schööön!
Total entfesselt in den Flumserbergen. Hans und ich sind nicht mehr aufzuhalten. Die wunderbar präparierten Pisten halten bis am Nachmittag der Sonne stand. Wenige Leute auf den Strecken. Bahn frei für wildes Rasen. Erfahrung und Frechheit steigern. In der Falllinie über die Steilhänge vom Leist runter. Bubenhaft entfesselt. So gewagt! An einem Tag mässigen wir uns ein wenig. Kornel mit Franziska und ihren Jungen begleiten uns. Adrian fährt einen beschwingten Stil. Dario kurvt elegant auf dem Snowboard. Ramon hat das Skifahren auch drauf. Schliesslich war ihr Papa ihr Skilehrer. Herrliche Tage! Sooou schööön!
Bei Radolfzell am Bodensee (D) fahre ich auf einen Autobahnparkplatz. Ein Mann kniet sich auf den Boden hin und kauert dort mit schmerzerfülltem Antlitz. Seine Frau und sein Sohn winken heftig den Krankenwagen herbei, der eben eintrifft. Der Mann wird im Notfallauto festgezurrt und ins Krankenhaus in Radolfzell gefahren. Frau, Sohn und Wohnmobil bleiben auf dem Parkplatz zurück. „Fährt jemand von euch das Wohnmobil?“ frage ich. „Nein, wir fahren beide nicht“. „Dann biete ich euch an, hier zu bleiben, bis wir mehr aus dem Krankenhaus erfahren. Wenn es euch dienen wird, werde ich euch mit eurem oder meinem Wohnmobil zum Krankenhaus fahren.“ Der Mann leidet an Nierenkoliken und muss vorläufig im Spital bleiben, lautet die Nachricht nach einer Stunde. In den Gesprächen erfahre ich viel über das Leben in der DDR damals und heute. Die Nacht verbringen wir in unseren Wohnmobilen auf dem Parkplatz.
Anderntags besuchen wir den Patienten im Krankenhaus von Radolfzell. Am Mittag wird er schmerzfrei entlassen. Ich fahre alle drei zu ihrem Wohnmobil auf dem Parkplatz zurück. Unverzüglich schiessen sie los in Richtung Rietschen, im Kohletagbaugebiet in der Oberlausitz, achthundert Kilometer nordöstlich von hier. Ich fühle mich beschenkt durch die Gespräche und durch der Leute natürliche Dankbarkeit für mein Verbleiben.
Wendelin Ellenrieder hat den richtigen Zeitpunkt gewählt. Strahlendes Wetter. Frühlingshafte Aufbruchsstimmung. Da lockt es jede Menge Leute zur Womo Ausstellung Camping&Caravan Center in Arbon. Bei der Crew, die schon so Vieles für mich erledigt hat, bleibe ich bis in die Nacht hinein hocken. Da werden erlebte Geschichten wach, wie WC-Cassette nach Reno, USA schicken, eine Frontscheibe nach Vancouver, Canada. Was wird wohl fällig auf der kommenden Russland-, Asienreise, Seidenstrasse?
Vorsorglich schaffe ich mir gegen die Plagegeister in Sibirien schon einmal ein Moskitonetz über meinem Bett an. Wendelin und die Crew werden mich notfalls mit allerlei Nachschub unterstützen. Das persönliche Verhältnis zum Firmenchef und den Mitarbeitern erleichtert mir jegliches Abenteuer und bedeutet mir viel. Sooou schööön!
Dr. Luzius Knöpfli in Walzenhausen bestückt meinen Sanitätskasten mit allem medizinisch Möglichen „dafür und dagegen“. Sooou wichtig!
Rita und Claude, die ich am Tag ihrer Rückkehr von der Seidenstrasse in St. Gallen zufällig getroffen habe, erzählen mir in Teufen begeistert von ihrer Lebens-Traumreise. In einem Monat werde ich dahin aufbrechen. Sooou schööön!
Februar 2017
Das Stück Haut, das mein Hausarzt in Walzenhausen an meinem Rücken entfernt hat, war von einem Basalzellkarzinom befallen. Der Arzt hat meine Haut gerettet.
Das Womo schwebt wieder auf seiner Luftfederung. Auf der Höhe von Karlsruhe (D) klart das Wetter auf. Zeit, die Scheibe zu reinigen. Da spritzt kein Wasser raus. Augenscheinlich finde ich kein Leck und die Pumpe surrt. Handreinigung bis zum nächsten Flick, den ich in St. Gallen anmelde.
Auf der A61 bei Worms stelle ich mich abseits von siebzig LKWs am Rande des Autobahnparkplatzes hin. Abends füllen sich alle Plätze mit Lastwagen, und es gibt zahlreiche Plätze entlang der Autobahnen. Neben Deutschen sind es sehr viele Polen, Rumänen, Slowaken und Litauer, die unsere Güter herumschleppen. Aus wirtschaftlich aufstrebenden Ländern.
Auf der Gegenfahrbahn kracht ein LKW auf einen Autotransporter. Der LKW Fahrer, eingeklemmt, stirbt. Sofort bildet sich auf der äusseren Fahrbahn ein fünfzehn Kilometer langer LKW-Stau und auf der Inneren ein ebenso langer PKW-Stau. Unglaublich, bedrohlich auffallend, was da auf deutschen Autobahnen abgeht. Für hunderte LKW-Fahrer erhöht sich durch diesen Unfall der Zeitdruck an diesem Tag um drei bis vier Stunden! Für PKW-Fahrer auch.
LKW-Fahrer aus den Ostländern lassen sich für 800 Euro pro Monat anheuern. Besser als kein Job zu haben. Die Ware müssen sie bei Billiganbietern oft selber abladen und in die Hallen schieben. Der LKW-Unternehmer verlangt von den Fahrern bei dieser Arbeit unerlaubterweise die Pausentaste zu drücken, als würden sie ausruhen. Dann geht’s übermüdet auf der Strasse weiter! Freihandelssklaven.
Den WC-Reiniger vom Dienst frage ich am Morgen: „Wie heisst der Parkplatz, auf dem ich hier stehe?“ „Hahnen, zwei Kilometer vor Autobahnkreuz Frankental Nord auf A61“ antwortet er in gebrochenem Deutsch. „Warum fragst du? Du hast Problem mit Auto? Ich habe Telefon.“ „Nein Danke, ich schreibe nur auf, wo ich so ruhig geschlafen habe.“ Der spontan hilfsbereite WC-Abwart lächelt und wünscht mir „gute Fahrt“. Sooou schöön!
Seabridge empfängt mich und die TeilnehmerInnen von achtzehn Wohnmobilen zu einem Vorbereitungstreffen der Asien-Seidenstrassen-Tour in Gau-Algesheim bei Mainz. Ein erstes Beschnuppern der Teilnehmenden. Dafür nehmen wir uns zwei Tage Zeit. Kostya und Arthur überbieten sich im Schnorren von Reiseerlebnissen und wichtigen Hinweisen dazwischen.
Das Lesen der unzugänglichen Motornummer, das Formular der Krankenkasse speziell für Russland und den Einkommensnachweis nehme ich als Hausaufgaben zurück. Ansonsten sind die vielen nötigen Abklärungen und Dokumente, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe, in Ordnung. Die Vorbereitung für die abenteuerliche Fahrt ist immens. Seabridge nimmt mir sehr viel Organisation ab. Das wird mir auf der mehr als halbjährigen Reise zu Gute kommen. Als Privatmann gäbe es für mich - ich betone für mich - kein Durchkommen durch die vielen Oststaaten bis ans Gelbe Meer und zurück.
In der Stefanskirche von Mainz lasse ich die durchwegs blauen Fenster von Marc Chagall auf mich wirken.
Auf der Mainzer Volksbank will ich Papiergeld in Kleingeld wechseln, um nachts den Heizstrom auf dem Stellplatz zu beziehen. Die Dame verlangt ein Konto bei der MV, damit sie den Umtausch von Papier zu Metall auf meinem Konto belasten kann. „Habe ich nicht. Ich bin aus der Schweiz.“ „Dann schliessen Sie mich ins Abendgebet ein“, sagt die freundliche Dame und lässt den Rubel rollen mit der Bemerkung: „Das wird sich aber so nicht mehr wiederholen“. So einen frommen Handel mit einer Bänkerin überrascht mich total. Die hat ja keine Ahnung, dass ich pensionierter Pfarrer bin und noch ganz ordentlich beten kann.
Am Samstag, 11. Februar 2017 fahre ich bei leichtem Schneefall von Mainz zurück in die Schweiz. Auf der A81 lasse ich Tübingen, wo ich studiert hatte, hinter mir. Für die Mittagspause fahre ich bei warmem Sonnenschein auf den Autobahnparkplatz Neckarblick. Wie schön! Parkiert stelle ich den Motor ab und ziehe den Zündschlüssel weg. Alle Warnlampen leuchten sofort auf! Motor defekt. ABS nicht verfügbar, Bremssystem defekt. ASR nicht verfügbar, EDC und das Beste zum Schluss: eine automatische Wegfahrsperre hat sich eingelegt. Der Motor startet nicht wieder. Zwei Versuche. Nichts zu machen! Ausser Mittagessen, den TCS anrufen und die Sonne geniessen.
Der TCS schickt mir den ADAC von Deutschland. Der Servicemann kommt nach fast drei Stunden nach dem Anruf an. In dieser Wartezeit leuchten die Warnlampen jede Minute auf und piepsen. „Lassen Sie mich mal hören, wie das beim Starten tönt.“ Das Display ist noch auf Störung und Wegfahrsperre. Ich drehe den Zündschlüssel und der Motor springt an, die Lampen erlöschen. „Scheisse“, sage ich überrascht. „Gut so,“ sagt der ADAC Mann. „Lassen Sie den Motor laufen. Sie können sicher nach Hause fahren und fahren Sie direkt zur Werkstatt.“
Ich schalte den Motor von Tübingen bis St. Gallen nicht mehr aus. Erst vor der Werkstatt. Und wieder leuchtet und piepst alles wirr durcheinander. Dann kehrt Ruhe ein. Falsch. Nach einer Stunde beginnt das Piepsen unaufgefordert wieder und wieder. Bei Fürk AG darf ich Hilfe erwarten. Es ist aber Samstag und Arbeitsbeginn wieder am Montag. Was soll`s. Wo auch immer habe ich Betten dabei. Nur schön, dass keine möglichen Mitreisenden in Stress gekommen sind. Ich bin allein unterwegs und werde diese Pannen mit Hilfe von wegelagernden Mechanikern auch auf der weiten Asienreise allein durchstehen wollen. Ach Gott, wie war das noch einfach, als ich mit Dschingis Kahn geritten bin.
Am Sonntag feuere ich ein Notfallsignal ab. Die Motorbatterie ist bis zum Totstellreflex abgesoffen. Nichts geht mehr. Ich muss die Batterie sicherheitshalber abhängen, weil sie in den letzten Zuckungen leise ta ta ta tattert. Am Sonntagmittag hängt mir Fürk`s Sohn Simon die Batterie ans Ladegerät, damit sie nicht ganz kaputt geht. Wieder so ein Wochenende, das ich mir anders vorgestellt habe. Aber ich will ja nichts, als aus dem Augenblick leben. Und diese Augenblicke überraschen mich total!
Von Dominic erhielt ich zum Geburtstag 2016 eine Flasche Whisky, deren vergleichbaren Inhalt wir in Schottland gemeinsam erprobt hatten. Natürlich nehme ich davon ab und zu einen Schluck. Gioia, seine Frau, meint, dass ich jetzt wegen der vielen Pannen zur Flasche greife, um mich bei guter Laune zu halten. Kann sein! Aber alles, was ich dir erzähle, finde ich mit und ohne Alkohol sooou schööön!
Nicht die Pannen sind so schön, aber was daraus an Begegnungen entsteht. Dem ADAC Mann drücke ich einen Euroschein als Trinkgeld in die Hand. „Das kann ich nicht annehmen. Ich habe ja nichts getan.“ „Doch, hast du! Du hast mich fast drei Stunden warten lassen. Die Anzeige hat sich in dieser Zeit erholt. Wärst du früher gekommen, hättest du mich auf einem Tiefenlader abführen lassen. Wer weiss, wie das Wochenende und die kommenden Tage dann verlaufen wären.“
Die Sonne hat die Luft auf neun Grad aufgewärmt und mich auf Betriebstemperatur gebracht. Doch die Strassenritter sind auch bei Minus15 unterwegs. Das ist meine Motivation, dem ADAC Mann ein Trinkgeld zu geben.
Was hat dem Womo gefehlt? Der vorbereitete Steckerteil einer möglichen Anhängerkupplung, die ich nie habe anbauen lassen, hat Wasser abgekriegt und das Inferno einer Wegfahrsperre ausgelöst. Den Stecker habe ich brutal abschneiden und die Drähte isolieren lassen.
Was war denn mit dem Scheibenwischer los? Ein Marder, der in Vilters sein Unwesen treibt, hat mir ein langes Stück Wasserschlauch weggefressen. Hat das Viech jetzt Bauchschmerzen?
Eine Biopsie in Gossau ergibt, meine Prostata ist nicht von Krebs befallen, wovor aufsteigende PSA Werte und ein MRI warnen. Diese gute Nachricht telefoniert mir mein Arzt an einem Sonntag, um mich vor künftigen Sorgen zu befreien. Was wünschte ich so vielen Freundinnen und Freunden auch so gute Ergebnisse. Leider leiden Einige an Unsicherheiten oder – wie die Ärzte es nennen – positiven Befunden.
Unbeschwert wandere ich nach obigem Telefon mit Betty, Denise und Agi auf den Winterwanderwegen von Pany GR weiter. Ein strahlender Sonnentag in den Prätigauer Bergen. Alles sooou schööön!
Am 20. Februar hindert mich nun kein Termin mehr mit Hans einen fantastischen ersten Skitag in diesem Winter in den Flumserbergen zu verbringen. Vier Stunden am Stück ohne körperliche Vorbereitung reichen aber meinen Oberschenkeln für Erste.
Sibille und Ernst in Vilters freuen sich über einen beschnittenen Haselnussstrauch und ein Ahorn. Meine Beinmuskeln werden immer fitter.
Paul zeigt uns entlang dem historischen Wanderweg von Sargans nach Trübbach gleich drei verschiedene Arten von Schneeglöckchen. Nur eine davon wächst in Vilters. Ein blühendes Schneeglöckchenmeer entdecken wir auf einer weiteren Wanderung auf einer flachen Wiese in Azmoos.
Auf den Sesselliften in den Flumserbergen ergeben sich schöne Gespräche mit Beat und Diane mit den Kindern Jasmin, Timo und Adrian. Das Abschwingen mit den Skiern über die gepflegten Hänge geniessen wir Erwachsenen bis zum Sonnenuntergang.
Das letzte Wort in diesem Bericht jault das Wohnmobil in St. Gallen. Das Gestänge der Luftfederungssensoren muss abgeändert, verlängert werden, damit die Luftfederung in Zukunft ohne Zerbrechen funktioniert. Wird nach fünf Jahren endlich Ruhe in dieses Thema kommen? Ad multos annos!
2017 Januar
„Chistmas in Lucerne „The wonder of Christmas“
Die Weihnachtszeit hat im KKL festlich begonnen. Fantastisch hochstehende Vorträge der Weihnachtsmusik durch die Lindensingers Neuheim, den Chor der Universität Luzern den Kammerchor der Zuger Kantorei, dem Chor Audite Nova Zug und der fantastischen Classic Festival Brass, alles unter der Leitung von Manfred Obrecht.
Leider hat der tolle Schauspieler Günther Maria Halmer es mit hervorragend vorgetragenen, antiquierten Saufgeschichten und Kochrezepten perfekt verstanden, den Inhalt von Weihnachten, die Aussagen der Lieder, die Stimmung im Saal auf eine penible Glühweinebene herunterzuziehen. Hochstehendes und Klamauk! Ich habe mit dem Publikum im Saal auch gelacht.
Unglaublich, was das gesprochene Wort für eine Macht hat. Es ist dem Sprecher mit jedem Auftritt gelungen, den tieferen Zugang zur Weihnachtsbotschaft zu sabotieren.
Dadurch, dass der Sprecher sich die Musik und Lieder im Saal nicht angehört, sondern sich jeweils aus dem Saal entfernt hat, um mit Klamauk wieder einzutreten, kam symbolisch stark zum Ausdruck, dass er nichts von der Tiefe, Fülle und Freude der Botschaft der Weihnachtsmusik mitbekommen hat.
Was geht da nur ab! Man mutet Erwachsenen nicht zu, sich auf die tiefere Botschaft der Menschwerdung zu besinnen. Mensch, werde Mensch!
Menschen anderer Kulturen und Religionen mögen doch nur lachen, wie die christliche Botschaft von den eigenen Leuten mit Oberflächlichkeit lächerlich gemacht wird.
Christmas in Lucerne, „The wonder of Christmas“ war auf dem Programm angekündigt! Ist das das „Wunder von Weihnachten“? Oder nur „Weihnachten in Luzern“?“
Den Übergangs- und den Neujahrsgottesdienst erlebe ich in St. Gallen mit gediegener Musik.
Das Neujahrskonzert in der Tonhalle St. Gallen mit Walzer- und Polkawerke von Straussens Familie gefällt mir. Es sind meist mir unbekannte Werke, weil ich nur einmal im Jahr mit Freunden solche Musik höre. Feinste Präzision des Symphonieorchesters. Fröhliche, mitreissende Melodien.
Das anschliessende Fondue Chinoise mit unserer Neujahrskonzertgruppe will mir leider nicht mehr richtig schmecken. Ich habe mich stark erkältet und fühle Fieber.
Das Womo kränkelt auch. Zwei Sensoren der Luftfederung sind abgebrochen. Ich bleibe drei Tage meist schlafend auf dem Areal der Fürk AG stehen, bis die Teile ankommen und eingebaut werden.
Der Opel in Vilters kränkelt auch. Das Abblendlicht ist beidseitig ausgestiegen. Manchmal kann ich nach dem Starten des Motors keinen Gang einlegen, liegt der Motor wieder ab. Einmal auch beim Bremsen in einem Kreisel. Mein Schwager Sepp bringt das zusammen mit meinem Neffen Marco in meiner Abwesenheit bei einer Garage wieder in Ordnung. Sooou schööön!
Das sind meine ersten Tage im Neuen Jahr. Hat es damit also schlecht begonnen? Auf keinen Fall. Ich kriege ja von überall her Hilfe. Das zählt.
Inzwischen hole ich einen Austauschpass/Zweitpass auf dem Passbüro in Zug ab und stehe mit meinem Womo übers Wochenende wieder bei Fürk AG in St. Gallen. Am Montag wird ein neuer Ventilblock für die Luftfederung eingebaut.
Maja Bösch ist wirklich eine gottbegnadete Organistin. Zusammen mit der Otmarmusik präsentiert sie ein unglaublich fröhliches Konzert in der Neudorf Kirche. Ein Festanlass mit grossem Publikum und Neujahrs Apéro. Soou schöön!
Bei der KAB Neudorf habe ich zum Jahresbeginn Gelegenheit, Bilder über meine sechzehnmonatige Reise in Canada und USA 2014/15 zu zeigen. Bei der Vorbereitung steigen eine Fülle von Begegnungen mit Menschen und Tieren, Landschaften und Klima in mir auf und erwecken grosse Dankbarkeit, all das nachzuerleben.
Der Geburtstagsabend zum Achtzigsten von Werner S., einem Bergkollegen, wird ganz heiter vor Lebensfreude und Erinnerungen. Der Wirt unterhält uns zwischendurch mit kurzen Einlagen auf dem Schwyzer Örgeli und mit lustigen Liedern. Das Restaurant heisst Kantonsgrenze und liegt zwischen Degersheim (SG) und Herisau (AR). Als wir das Restaurant verlassen, liegt ziemlich viel Schnee auf beiden Seiten der Kantonsgrenze.
Unsere Schwester Theres und unser Bruder Ernst laden zum Geburtstagsessen in die Flumserberge ein. Tage zuvor ist es unsicher, ob wir das Haus ohne Ketten erreichen. Dann aber leisten die Schneeräumer ganze Arbeit und das Wetter bleibt ruhig und kalt. Unsere Schwester Margrit kann leider nicht teilnehmen, da sie mit ihren wiedergewonnen Kräften behutsam umgehen muss. Ihr Sohn Silvio, der sie zusammen mit seiner Frau Noe während eineinhalb Monaten betreute, ist zudem nach Thailand, wo die beiden leben, zurückgeflogen.
Eva Maria heisst das hübsche Mädchen von Alexandra und Peter Zumbühl. Wir taufen Eva Maria in der Jugendkirche von Alexandra in Merlischachen (SZ). Ergreifend, wie die Eltern, Alexandra und Peter, die Gäste begrüssen und das Thema von ihrer Hochzeit, mit einem dritten Steinmannli-Symbol erweitern:
Sie bedeuten, dass wir aus unseren Geschichten bestehen und diese aufschichten. Diese Schichten werden zum Stein, auf den wir bauen. Die Männli stehen einzeln, sind einzigartig und sollen auch so gedeutet werden. Für Eva kommt ein neues Türmchen hinzu. Sie ist einzigartig und soll sich als eigenständiger Mensch entwickeln dürfen. Mit ihren Geschichten, ihren Möglichkeiten und mit ihren Schwierigkeiten.
Eva soll aber erfahren, dass sie nicht als einzelnes Zeichen in der Bergwelt steht. Sie soll spüren, dass sie in ihrer individuellen Aufgabe Teil des Weges ist, Teil der Gemeinschaft ist und getragen wird.
Dazu haben wir das Symbol der Triqueta auf die Einladungskarte gezeichnet.
Die Triqueta besteht aus drei verbundenen Kreisbögen und einem Ring.
Dieses Zeichen findet sich schon vor 5000 Jahren bei den indischen Kulturen.
Der Triqueta-Knoten galt bei den Kelten als Symbol für den Kreislauf des Lebens.
Geburt, Leben, Tod.
Für uns ist es das Zeichen, dass wir nun die sind und dass unsere Geschichten und Schichten miteinander verbunden sind. Diese Verbindung haben wir auch bei der Hochzeit auf eine Basis in drei Dimensionen gestellt:
„Liebe, Vertrauen, Zuversicht“ soll nun auch Basis für unsere Familie und die Beziehung mit Eva werden und uns helfen miteinander zu wachsen.
Unsere Triqueta ist mit einem Ring verwoben. Dies, weil auch Gott in unsere Gemeinschaft verwoben ist und uns halten und tragen soll. Als Zeichen dafür taufen wir heute Eva hier in der Kirche von Merlischachen (deren Glocken wir jeden Tag hören) und nehmen sie zusammen mit euch in unsere Gemeinschaft (mit Gott) auf.
Ihr Pate Reto berührt unsere Herzen mit seiner Stimme und dem Ave Maria von Franz Schubert.
Jeanne und Barry Colson besuche ich an ihrem zweitletzten Abend im Hotel Europe in Davos. Barry singt und spielt hier das Piano seit 1993 jeweils den ganzen Monat Januar. Beide stammen aus Kanada. Eine zufällige Begegnung in Main USA bescherte uns diese Bekanntschaft. Barry und Jeanne sind begeisterte VW-Bus-Camper.