Februar 2019

 

Nach zwei Monaten Schreibpause (Dezember 2018, Januar 2019 tippe ich wieder. Und du hockst dich hin, mein Geschreibsel zu lesen. Danke, das freut mich.

 

Anfangs Januar sehen hundert Leute der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) und Freunde in St. Gallen meine Bilder und hören meine Kommentare zur Asienreise. Das ist bereits der vierte Vortrag dazu. Das nenne ich: „Nachhaltiges Reisen!“

Patrice stellt in einem Malwarenladen für Künstler in Berlin zehn seiner Bilder aus. Vielleicht bin ich dabei Zeuge kurz vor dem Durchbruch. 

 

In Köpenick steigen Alyona, Patrice und Luce in mein Womo. Eine Häufung von unglückseligen Zufälligkeiten lassen mich wichtige Teile vom Hintern des Womos abstreifen. Was nun? In zwei Stunden ist alles wieder gebohrt, geschraubt, geklebt. Die Rücklichter und Blinker funktionieren. Freie Fahrt!

 

In Polsow treffen wir auf die beiden Brüder Felix, den Bildhauer, und Moritz, den Elektronik-Musiker. So kreative Leute in meinem Freundeskreis. 

   

Nach Rügen. Die Kreidefelsen fallen am Königsstuhl hundertachtzehn Meter ins Meer ab. Leider ist im Winter wegen spontanen Abbrüchen der Abstieg zum Meer gesperrt. Trotzdem lieben wir diese Wälder und Klippen.

 

Das Hallenbad HanseDom in Stralsund eignet sich gut zum Aufwärmen. Vor allem hilft mir die Sauna gegen den wochenalten Husten.

 

In Neubrandenburg fühlen sich die Menschen von dem Zusammenschluss der Bundesländer arg hintergangen. Zu viele „Kanaken“ gebe es. Die Menschen wählen darum zu Hauf die AfD, erklärt mir ein sechsundachtzigjähriger Mann, der auch im Winter täglich im Tollensesee baden geht. Das Wasser sei einzigartig sauber, betont er. Er will wohl nicht wahrhaben, oder gar vertuschen, dass auf dem Grund des Sees kaputte Torpedos, Munition und eine zertrümmerte, damals zu Rüstungszwecken künstlich aufgebaute Insel, mit allem Schutt begraben liegt. Ob ich für ihn als Schweizer auch ein Kanake sei, versuche ich ihn zu reizen. Nein, sagt er, er hätte auch Verwandte in der Schweiz, in Igis GR und Brunnen SZ.   

 

Was macht ein Schweizer Pfarrer auf einem Standesamt am Alexanderplatz in Berlin? Heiraten wäre möglich, aber nein, ich amtiere als Trauzeuge. Alyona und Patrice, denen ich sehr traue, werden im Deutschen Zivilregister eingetragen. Just married! Jetzt kann ich dir auch verraten, das war der Grund, mitten im Winter nach Berlin und auf die Insel Rügen aufzubrechen. Freundschaft hält Treue, bewegt und bindet. Luce erlebt als Sohn von Patrice und Fotograf alle Zeremonien und Emotionen aus nächster Nähe. Der Elfjährige freut sich, trotz Papas neuer Bindung, uneingeschränkt sein Sohn zu sein.

Die zehnstündige Fahrt über achthundert Kilometer von Berlin führt mich direkt nach St. Gallen zu einem Rekonvaleszentenbesuch in der Oberen Waid.

 

Unterwegs mailt Hans mir das Aufgebot von der Motorfahrzeugkontrolle. Sofort bitte ich Adrian Fürk um einen Termin für den Service und das Womozeitgerechtvorführen. Von Peter bei CCC Arbon bekomme ich einen Termin, die beschädigten Teile am Womo zu flicken. Alles wird fristgerecht anfangs April stattfinden. Was werde ich doch wieder vorzüglich behandelt!

 

Sonnige Tage sind uns im Februar in ganz Europa geschenkt. Skifahren in den Flumserbergen und am Pizol, Velofahren, Wandern. Der Hustenreiz klingt endlich nach drei Monaten ab. 

 

Am Schmutzigen Donnerstag ziehen Kinder als zerlumpte Soldaten mit lauten Schellen durchs Dorf Vilters. Man nennt sie das Schellenpack. Sie sammeln Esswaren und Geld und teilen am Mittag alles unter sich auf. Von sechs bis zwölf Uhr dauert dieses Fasnachtstreiben.  

 

 

2019 März 

 

Naomi wartet auf eine Segnung in multikulturellem Kreis. Ihre Grosseltern Markus (St. Gallen) und Joseline (Madagaskar) habe ich bei einem Italienischkurs 1974 in Perugia kennengelernt. Sie sich auch! Dominique, ihre Tochter, die französisch, englisch, deutsch, italienisch sprechende Mutter von Naomi, ist mit Carlyle aus Australien verheiratet. Die Schwester von Dominique, Michele, die auch alle diese Sprachen spricht, unterhält sich dazu mit ihrem Ehemann Lijun fliessend in Chinesisch. So ein  Sprachsegen für alle.

 

Nicht nur Christen, sondern auch Hindus aus Sri Lanka, die in der Schweiz wohnen, pilgern gern zum Benediktinerkloster Mariastein im Kanton Solothurn, vor der Stadt Basel.  

 

Das alte Bamberg wurde an die Regnitz gebaut. 1960-1992 wurde der Main-Donau-Kanal durchgezogen und die Stadt bis in die Neuzeit gewaltig erweitert. Viel Sehenswertes liegt auf Inseln und Halbinseln von lieblichem Wasser umflutet.  

Die Vorgeschichte des hunderteinundsiebzig Kilometer langen Kanalbaus mit sechzehn Schleusen gleicht einem Kriminalroman. 1960 bis 1992 wurde endlich gebaut und damit immerhin die Nordsee von Rotterdam (Rhein-Main-Donau) bis zum Schwarzen Meer in Constantia (Rumänien) verbunden. Wegen der europäischen Wasserscheide muss das Wasser von Bamberg her um 175,1 Meter bis auf die Scheitelhöhe von 406 MüM angehoben und nach siebzehn Kilometern wieder um 67,8 Meter zur Donau runter abgesenkt werden. Wirtschaftlich rentiert dieser Wasserweg nicht, weil inzwischen die Eisenbahn das Rennen gewonnen hat. Man versucht jetzt mit dem Wasser-Tourismus etwas Geld reinzuholen.  

  

Zwei ganz dunkle Kapitel der Stadt und der Kirche in Bamberg: Die Hexenjagd im 17. Jahrhundert. Der damals regierende Bamberger Fürstbischofs Johann Georg II. Fuchs von Dornheim, genannt der Hexenbrenner (1623–1633), verfiel einem starken persönlichen Hexenglauben. Der Anlass, gegen die Hexerei vorzugehen, waren aber machtpolitische Ängste. Darum wurden auch viele Männer unter dem Vorwand von Hexerei gefoltert und umgebracht. Der Fürstbischof errichtete dazu das Druden- oder Malefizhaus. Er soll bis zu tausend Männer, Frauen und Kinder aus dem Weg geräumt haben. Der Weihbischof Friedrich Förner war der wichtigste Prediger und der eigentliche Scharfmacher der Hexenverfolgung. Sowas Satanisches!

 

Bei der Judenverfolgung haben Bürger von Bamberg eifrig Juden verraten und den Todeslagern ausgehändigt. Heute versucht man diese Schande aufzuarbeiten. In der Stadt wurden bisher hundertfünfzig sogenannte Stolpersteine gegen das Vergessen verlegt.

 

Bei jedem Womo, das auf dem Stellplatz vor der Bad Königshofer Therme einfährt, gibt`s ein herzlich lautes Hallo unter uns Asienreisenden von 2017. Einerseits feiern wir ein Wiedersehen und anderseits nehme ich mit acht Paaren am Vorbereitungstreffen für die Panamericana 2019/2020 teil.   

 

Der Musiker Peter Roth begeistert mich mit seinem Projektchor und neuestem Werk „Requiem für die Lebenden“ in St. Gallen.

 

Die Skisaison ist für mich noch nicht zu Ende. Schnee und Wetter sind einzigartig, sooou schööön!

 

Eine Menge Einheimische, so zwischen siebzig und achtzig Jahren, tollen sich ebenfalls auf den Skipisten am Pizol. Zumindest auf den Skiern sind sie erstaunlich flinke, robuste Wesen!

 

Am Ende des Monats März lasse ich Persönliches an mir checken. Hustenreiz mittels ägyptischem Schwarz Kümmel Öl endlich beseitigt. Prostata in Ordnung. Augendruck in Ordnung. Gelbfieberimpfung im Tropeninstitut prophylaktisch gespritzt. Knieprothese von bester Qualität in bester Ordnung. Sooou schööön!

 

Und wie geht’s dem Wohnmobil? Die winterlichen Temperaturen sind noch nicht vorbei. Es leckt die Heizung und verschmiert die Stauräume mit Heizflüssigkeit.  Werkstattbesuche stehen an.    

 

2019 April

 

Carthago in Arbon leistet ganze Arbeit. Das Heck meines Womos kann sich wieder sehen lassen. Das Heizungsleck ist auch gefunden. Der Verbindungsschlauch zum Expanionsgefäss sitzt nicht mehr fest. Zeit auch, das Expansionsgefäss auszuwechseln. Ich tage und nächtige wieder in angenehmer Wärme.

 

Zwei Tage dauert ein gründlicher Service bei IVECO in St. Gallen. Beim Austrittstest lässt sich die Differenzialsperre nicht ausschalten. Die Mechs hängen grad noch eine Stunde dran und finden vorerst keinen Fehler. Sie tricksen die Funktion aus und lassen mich bis zu einem Rückruf von dannen ziehen.

 

Der Julierpass wird kurzfristig wegen starken Schneefalls geschlossen. Judith und Stefan zögern aber keinen Moment, Hans und mich in ihr altehrwürdiges Ferienhaus im Fextal hinter Sils Maria zu begleiten. Ein stilles, fast verbotenes Tal. Ausser ein paar Einheimischen mit Autos und wenigen, streng kontrollierten Ausnahmen verkehren nur Kutschen bis zum Hotel Fex weit hinten im Tal. Zum Wandern sind wir auf die Loipen angewiesen. Tiefer Neuschnee verhindert jeden Tritt daneben. Einsame Stille. Sooou schööön!

 

Die amtliche Motorfahrzeugkontrolle findet das Womo in Ordnung. Sonntagmorgen um neun Uhr. Ich verlasse Vilters. Im Kreisel setzt der Motor aus. Mit Brachialgewalt am Steuer lasse ich das Womo aus dem Kreisel rollen. Nach dreissig Minuten fährt der TCS vor. Beim neulichen Filterwechsel wurde der Dieselschlauch nicht richtig angedockt. In zwei Minuten ist der Fehler entdeckt und behoben! Rechtzeitig fahre ich im verschneiten St. Gallen ein und lade Luce, Alyona und Patrice dazu. Schnurstracks geht’s in den Tessin nach Tenero. Kalt ist es auch im Süden, doch schön Wetter. Luce geniesst die Sportanlagen auf dem Campo Felice, während Alyona und Patrice lieber das Weite suchen. Joline besucht mit ihrem Grossi Silvia ihren Cousin in Locarno. Als wir nach fünf Tagen wieder im Sarganserland einfahren, steht die Natur bis zum Bodensee frühlingshaft in voller Blüte da. 

 

Auf dem Camp in Tenero habe ich die Garagen am Womo stundenlang offenstehen lassen. In Vilters bemerke ich, eine Amsel hat sich meinen darin umgekehrt aufgehängten Fahrradhelm als Nistplatz ausgesucht. Ohne es zu wissen habe ich der Amsel beim Nestbau geholfen, indem ich ihr - nach ihrem Vorbild - Nistfäden von der Palme losgezupft habe.

 

Dann waren`s nur noch drei. Drei, die sich nicht oft aber gern treffen. Heute, um fünfzig Jahre Matura zu feiern! Damals haben wir das Gymnasium bei den Mariannhiller Missionaren in Altdorf besucht. Für mich war das gesellschaftliche Leben im Internat eine Bereicherung und meine Eltern haben von meiner Pubertät nichts Stressiges mitbekommen.

 

 

 

2019 Mai

 

Paul Klee erlebe ich als sehr ernsthaft arbeitenden Maler. „Farbe braucht Raum um zu wirken“, schreibt er. Immer freier hat er sich an reine Farbflächengestaltung herangemalt, bis auch ich vor seinen Werken im Paul Klee Museum in Bern mit warmen Gefühlen gern verweile. Besonders beeindruckt der Einfluss seiner Tunesienreise auf die Farb- und Formgestaltung.   

 

In der Basilika von St. Maurice VS werden die Märtyrer aus Theben (heute Luxor in Ägypten) geehrt. Die christlichen Krieger aus Theben haben sich als Söldner in einem römischen Heer in St. Maurice geweigert, gegen die hier ansässigen Christen zu kämpfen. Dafür wurden sie geköpft. Allen voran der Hl. Mauritius. Nach Steinschlägen, Feuersbrunst und neuen Bedürfnissen durch ein Kloster wurde dieser Wallfahrtsort mehrfach erneuert,  umgebaut, in jüngster Zeit die Grundmauern ehrenvoll freigelegt.  

  

Eigentlich wollen wir in Martigny wegen des modernen Pierre Gianadda Kunstmuseums Halt machen. Auch das Barryland Museum, wo die Bernhardinerhunde im Winter hausen, ist Stefan bekannt. Was uns aber total überrascht, sind das gut erhaltene römische Amphitheater und die vielen freigelegten Grundmauern und Strassenabschnitte aus römischer Zeit. Martigny  (43 n.Chr. gegründet) war eine wichtige Stadt auf dem Handelsweg zwischen Rom und London. Von Martigny auf den Grossen St. Bernhard, wo auch Hannibal mit seinem Heer gekommen sein soll, sind siebenunddreissig Kilometer und zweitausend Höhenmeter zu überwinden. Der Pass ist trotz modernster Strassen und Schneeräummaschinen im Mai 2019 noch gesperrt. Wie viele Monate oder Tage war er wohl im Altertum begehbar?

 

Auf den Sportplätzen und Strassen von Martigny tummeln sich unglaublich viele wohlpigmentierte Afrikaner. Werden sie wegen des Martyriums des Hl. Mauritius und seiner Gefährten besonders geschätzt, oder müssen sie sich einen Platz unter den Wallisern erkämpfen? Sind sie über den Grossen St. Bernhard gekommen und auf dem Weg von Rom nach London? Nur ein handy und Hoffnung im Gepäck?

 

Die Hauptstadt des Kantons Wallis, Sion/Sitten, birgt in der Altstadt hübsche Strassenzüge. Imposant thronte einst die Burg de Tourbillon (13.Jh.) auf dem höchsten Hügel und die Burg Valère mit Basilika (mit einer fünfhundert Jahre alten, spielbaren Orgel) auf dem niedrigeren Hügel über der Stadt. Die Burg Valère war bis ins 18. Jahrhundert Sommersitz der Chorherren von Sion! Solche Informationen lassen mich erschaudern vor der weltlichen Macht der Kleriker, wie sie sie damals besassen.

  

Stell dir vor, ich würde nicht in einem achtzehn Quadratmeter umfassenden Wohnmobil herumstreunen, sondern mit dem ganzen Gesinde zwischen meinem Sommer- und Wintersitz von der einen Burg zur anderen wechseln und möglicherweise dein Arbeitgeber und Richter sein!

 

Stefan muss nach diesem bereichernden Wochenende per SBB wieder zurück zur Arbeit nach Bern. Ich darf weiterhin die Sonne am Genfersee geniessen.

 

Bei St. Saphorin schnaube ich die steilen Rebhänge empor. Hier müssen die Weinbäuerinnen und –bauern mühsam herumklettern. Der köstliche Wein verdient einen Aufpreis, die Gegend ein sooou schööön!

 

Irgendein römischer Geist hat in meinem Womo Platz genommen und führt mich unbemerkt an erstaunliche Orte römischer Vergangenheit im Lande Helvetiens. Ouchy ist mit Lausanne in den letzten Jahrzehnten zusammengewachsen. Mein Stellplatz in Ouchy liegt dicht an einem immensen Ausgrabungsfeld einer römischen Handels-, Schifffahrts- und Heiligtumsstätte. 15 v.Chr. sollen die Römer begonnen haben, eine keltische Siedlung umzubauen. Nachweislich war dieser Platz schon viertausend Jahre vor Christus besiedelt!

 

Die Grünanlagen am Genfersee vor Lausanne sind sehr grosszügig und werden von Sportlern und Müssiggängern flott genutzt. Dann aber geht’s steil bergauf. Ich brauche eine Gebrauchsanleitung für dieses unübersichtliche Stadtgewächse. Lausanne ist anstrengend. Bergauf und bergab. Gut, dass im Jahre 2008 die erste vollautomatische Strassenbahn der Schweiz die alte Zahnradbahn abgelöst hat. So schaffe ich die Höhenunterschiede bis hinauf zum Bahnhof, zum Bezirksgericht und noch weiter bis zur Altstadt um die Kathedrale. Wirklich Sehenswertes?

 

Die Streckenwahl von Lausanne nach Moudon und dann quer nach Bulle zum Greyerzersee und hoch zum Jaunpass, runter durch das Niedersimmental nach Spiez und wieder hoch über den Brünigpass führt auf mittelstreifenlosen Strassen durch herrliche Wandergebiete. Sooou schööön!

 

Von Luzern her bis zum Brünigpass kommen mir vierzig Reisecars entgegen! Die Streckenführung ist meist unattraktiv. Diese Gäste werden erzählen: Die Schweiz ist ein sehr schönes Reiseland. Da fährst du in hellerleuchteten, bemalten Tunneln von einem Ziel zum andern.

 

Der Ofenpass führt aus dem Val Müstair in den Vintschgau runter. Er ist früh schon schneefrei. Südlich Bozen gebe ich meinem GPS den Auftrag, Sedico bei Belluno zu finden und zwar ohne Autobahnen. Das gelingt ihm vortrefflich über einsame Strassen wie den Passo de Valles und den Passo San Pelegrino. In dieser Gegend hat im Januar 2019 ein fürchterlicher Sturm gewütet und riesige Waldstücke geknackst.

 

Betty und Paul rätseln während der Fahrt nach dem Namen des Ortes, wo Luciano, den wir in Roe Alte besuchen wollen, seine Jugendzeit verbracht hat.  Plötzlich meint Paul, das im Felsen eingearbeitete Kraftwerk zu erkennen, wo Lucianos Vater gearbeitet hat. Als ich laut vorlese, der Ort heisst La Stanga, durchfährt es Betty wie ein Blitz: das ist der Ort!

 

Wir wollen uns in La Stanga auf einem Parkplatz einnisten und besuchen ein Bistro im Fünfhäuserort. Jetzt ist es Zeit, Luciano zu informieren, dass wir auf dem Weg zu ihm sind und sehr zufällig durch den Wohnort seiner frühesten Kindheit fahren. Zum Telefonieren brauchen wir Hilfe der Barmaid, weil unsere Nummer unvollständig ist. Die kriegt mit Hilfe anderer Personen alles über Luciano raus und verbindet uns.

 

Luciano erscheint im Nuh im Bistro, um rührenderweise seine Freude an unserem überraschenden Besuch auszudrücken. Wir sollen zusammenpacken und die Nacht auf seinem Grundstück verbringen. Er fährt uns zu dem fast unauffindbaren Ort Roe Alte voran. Spät fahren wir zum zweiten Nachtessen und verbringen den nachfolgenden Tag mit Besuchen bei seinen Verwandten und befreundeten Menschen, wo uns nach italienischer Sitte überall wieder Freundlichkeit und Essen angeboten wird.

 

Vom am Piave gelegenen Parkplatz führt Luciano uns auf den drei langen Rolltreppen zur Altstadt Belluno, die altehrwürdige Gebäude präsentiert. Noch nicht in herausgeputzten Zustand, weil das Geld fehlt. Aber die Organisation für Ordnung und Sauberkeit zeigt in der Stadt und auf dem Land schönste Früchte. Wir geniessen das Eintauchen in die Gastfreundschaft. Soooou schööön!

 

Mels bei Udine ist eine Partnergemeinde zu Mels im Kanton St. Gallen. Die Schweizer Melser/Sarganserländer haben beim Wiederaufbau nach dem Erdbeben im Friaul (1976) geholfen und der Kirche eine Glocke gestiftet. 2013 haben Betty und Paul auf einer Sarganserländer Reise diese Partnerschaft wiederbelebt.

 

Das GPS hilft entlang des Tagliamento und seinen Nebenarmen, durch Täler und über Pässe bis zum Passo Monte Croce (Kreuzberg) bei Sexten und weiter über Toblach bis Brixen, Bozen, Meran, Glurns über den Ofenpass nach Zernez und durch den Vereina Tunnel nach Vilters. Sooou schööön!

 

 

 

 

 

2019 6 Juni

 

Sechs Wochen nach der Knieoperation geht Theres in Rotkreuz wieder ohne Stöcke und weibelt in Küche und Wohnung umher. Sooou schööön!

 

Vom Balkon bei Verena und Albert in Hochdorf aus gibt es über das grüne Land hinweg wunderschöne Ausblicke auf den Titlis und die noch weissen Bergketten. Albert führt das Womo zielsicher über Maur am Greifensee nach Uster.

 

Anderntags liegt unser Ziel zusammen mit Annelies und Johannes in Ascona, respektive auf dem Campo Felice in Tenero. Beim Campen sind Tageskarten für freie Fahrten mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus und Bahn) im Kanton Tessin inbegriffen. Das macht es schon einmal attraktiv, zur Drahtseilbahn nach Madonna del Sasso und zur Luftseilbahn nach Cardada zu gelangen. Der Bergweg auf die Cima della Trosa (1869m) und das Verweilen auf dem Gipfel macht uns Spass. Sooou schööön.

 

Das ÖV-len liegt mir keineswegs. Aber mit dem Gratisticket schaffe ich es in Begleitung von Albert nach Locarno, dann mit dem Schiff nach San Nazzaro und mit dem Postauto auf die Alpe di Neggia. Der Weg zum Vorgipfelkreuz (1675m) des Monte Garbarogno (1734m) mit seiner Sicht auf das Verzasca-, Maggiatal und den Lago Maggiore und der direkte Abstieg zur Alpe di Neggia lässt mich wieder rufen: sooou schööön! Die Rückfahrt mit dem Postauto von der Alp hinunter nach Magadino scheint mir nimmer an Höhe zu verlieren. Endlos kurven wir hinunter ins Tal. Ein schnelles Boot bringt uns von Magadino zurück nach Locarno und der Bus hält ganz in der Nähe des Campo Felice. So viel ÖV und doch sooou schööön!

 

Im Tessin soll es an Pfingsten regnen und stürmen. Das kann uns nicht treffen. Ich bringe meine Gäste über den San Bernardino wieder nordseits der Alpen und zurück nach Uster, über Rotkreuz nach Hochdorf und mich schliesslich nach Vilters.

 

Mit Blues und gedeckten Tischen feiern die Reformierten Gemeinden von Rüschlikon ZH und Kilchberg ZH das Pfingstfest. In der Slam-Predigt hockt der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf einem Baukran und switcht in wortgewaltigen Gedanken zwischen dem, was einmal Schöpfung war und was er jetzt sieht. Beim Weltenbrunch erzähle ich Alexandra und Markus, Debeeh und Rolf wie ich den lebendigen, friedliebenden, gastfreundlichen Geist Gottes bei allen Völkern zu denen ich reise, wahrnehme. Meist nicht bei den Regierenden, aber bei den Menschen auf Strassen und Plätzen.   

  

Monatelang habe ich nicht wirklich Musik gehört. Kein Radio, keine CD. War völliger Abstinent und habe der Stille gelauscht. Nun haut mich seit Kurzem der Sänger, Musiker und Tänzer Dimash Kudaibergen total um. Sein Dimash London Solo Conzert 2018, das Moscow Kremlin Concert 2019/20 und vieles mehr. Dimash ist ein junger Kasache mit einem unglaublichen Stimmvolumen, einer feinen Ausstrahlung und tänzerischer Begabung. Ich freue mich für Kasachstan. Sooou schööön!

 

Über München, einem kurzen Aufenthalt in der gotischen Altstadt Landshut fahre ich mit Verena und Roman bis Passau, wo der Inn und die Ilz in die Donau fliessen. Von Passau winden wir uns der Donau entlang bis Melk. Da gibt es fantastische Naturabschnitte dicht an der Donau, geschlossene Mischwälder und Hügel. Die Donau führt fast randvoll ruhig fliessendes Wasser. In den vergangenen Jahrzehnten ist sie bei andauernden Unwettern öfters mal bösartig mehrere Meter hoch über die Ufer getreten. Landunter für die Melker! Die Flut kann aber der immensen Klosteranlage auf dem trotzigen Felsvorsprung von Melk nichts anhaben.

 

Wien umfahren wir südlich und lassen uns erst von Schwechat bis Bratislava wieder von der Donau im offenen, fruchtbaren Getreideland begleiten.

 

Bratislava, die Hauptstadt der Slowakei, lockt Touristen vor allem durch die relativ kahle Burganlage und die vielen Strassenrestaurants.

 

Die Bauern beackern riesige Korn- und Maisfelder. Nein, haben beackert. Jetzt ruht alles still im Wachstum. Und die Bauern, was tun sie zu dieser Zeit?

 

In Esztergom thront das Basilika-Heiligtum (1856) Ungarns. Die Donau liegt als Grenzfluss zwischen uns und die Maria-Valeria Brücke verbindet Sturovo, Slowakei mit Ungarn.

 

Kosice erreichen wir meist über schmale Strassen in der Niederen Tatra, ein bewaldetes Hügelland. Kosice ist Kulturstadt. Hier muss mehr Geld fliessen wie in Bratislava. Die Stadt wirkt elegant, sauber und durchgekämmt.

 

Mit Kletterfinken entwindet sich das Womo geschmeidig den gähnenden Löchern in der selbstgewählten, abwegigen Strasse von Kosice über Vranov nach Svidnik. Noch vor der Grenze zu Polen besuchen wir zwei der vierzehn Holzkirchen, die noch bestehen. Die Kirche von Ladomirova hat die UNESCO sich zu eigen gemacht. Die Holzkirche von Bodruzal ist ebenso wichtig und die Hüterin steigert sich in slowakischer Sprache uns alles zu erklären, zumal Roman fleissig ein Nicken und Laute des Verstehens von sich gibt. 

 

Die dichten Mischwälder Ostpolens werfen einen kühlen Schatten. Die Häuser sind wuchtiger als in der Ostslowakei und die Gärten allesamt umzäunt.

 

Zamosc überrascht mich mit einem gewaltigen Innenstadtquadrat von gleichmässigen Häusern umgeben. Kein Auto muss da durch. Zahlreiche Strassenrestaurants laden ein. Viele junge Leute und Kinder finden sich auf dem Platz was Verena besonders vermerkt.

Bug heisst der kleine Fluss, der sich über zweihundert Kilometer in der flachen Landschaft schlängelt. Dicht an der Grenze führen sowohl in der Ukraine und in Belarus (Weissrussland) wie auch in Polen einfache, teils durchlöcherte Strassen durch kleine Grenzdörfer. Wir wählen diesen Weg auf der polnischen Seite.

 

Der Grenze entlang pflegen hunderte Storchenpaare ihre Nester und Jungen auf samt und sonders von Menschen erbauten Masten. Jüngere ducken sich in den Nestern, ältere üben bereits das Hüpfen und Flügelschlagen. Vermutlich sind diese Storchenfamilien die verwandelten Vorfahren von Polen, die wegen des Krieges geflohen sind und jetzt gern wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die Eltern machen sich einen Spass daraus, auch Frösche, Heugümper und Mäuse über dem Bach in der Ukraine und in Weissrussland zu erschnabeln. Es können aber auch die Vorfahren der Ukrainer und Weissrussen sein, die es lieben, unerkannt masthoch über den Polen zu leben und den mähenden Bauern hinter ihren Traktoren insektenfutternd her zu hüpfen.

 

Da Storche immer auf Masten mit von Menschenhand gefertigten Plattformen nisten, kommt mir die Frage, wo haben diese verwöhnten Viecher früher genistet? Am Boden oder auf Bäumen? Ein Ornithologe oder du wirst mir eines Tages eine Antwort geben.

Sorry, auf unserer östlichsten Europareise gibt es nur Kirchen und Storche zu fotografieren. Friedhöfe am Wege sind es auch noch. Aber die lasse ich weg, wegen des Feriencharakters dieser Reise.

 

Die Grenze zwischen Polen und Litauen liegt hinter uns. Bei Daugai suche ich fast verzweifelt nach einem schönen Stellplatz. Vis à vis eines wohlhabenden Litauers parke ich mal und erkunde die Landschaft. Auf dem Rückweg reicht mir der Stinkreiche, der eigens aus dem Haus gekommen ist, die Hand und empfiehlt mir ein paar Meter weiter zu fahren, direkt an den See zum Badefleck der Einheimischen. Das sei kein Problem dort! Wie freundlich dieser Litauer und grad in dem Moment, wo ich aufgegeben habe? Er kommt mit seinem schweren Motorrad noch vorbei, um zu schauen, ob wir uns wohl fühlen. Und wie! Die Abkühlung im See nach dem vierunddreissig Grad Tag ist sehr wohltuend. Und so wohltuend das Fischgericht von Verena am See! Sooou schööön!

 

In der Festung von Daugavpils lebten zeitweise tausend Leute eingepfercht. Die noch russischen Verkäuferinnen in einem Tante Emma Laden im Festungsbezirk meine ich mit einem „Guten Tag!“ wachschreien zu müssen. Nichts kommt bei den Dreien über die Lippen. Todernst und abgelöscht tun sie ihre Arbeit. So eine seelische Armut. 

 

Zwischen Litauen und Lettland besteht ein augenfälliger Unterschied in Sachen Armut der Bevölkerung. Ich meine nicht Riga und kleine Städte, die es zu Wohlstand geschafft haben. Sondern ganz im Hinterland kommt mir viel Armut und Verlassenheit entgegen.

Die Wallfahrtskirche in Aglona, wo Papst Karol Woytila 1991 zu Besuch war, scheint mir innenarchitektonisch sehr ausgeglichen, stimmig. Ich finde meine Ruhe darin.

 

Der Skypsurfer auf dem Reznasezers See hat auf uns gewartet. Er erklärt, wie ich ihm behilflich sein kann, bei dem beachtlichen Wind seinen Drachen zu starten. Das gelingt ihm sofort. Immer neue Letten kommen angefahren und nutzen den starken Wind, der tags zuvor einigen Bäumen Äste abgeschlagen und Stämme geknickt hat. Diese Männer brauchen für ihren Sport keine Bars und Boutique, nur Wind und Wasser. Handfeste Naturburschen.

 

Am westlichen Ende des Aluksne Sees gibt es keinen Platz für uns. Ein Megaorientierungslauf internationaler Art braucht alle Plätze. Am östlichen Strand jedoch finden wir freundliche Aufnahme und was uns am Wichtigsten ist, Wasser! In einem flachen Land, wo jeder Liter Wasser aus dem Boden gepumpt werden muss, ist es recht schwierig, Wasser zu kriegen. Daran werde ich mich in der Schweiz erinnern.

 

Zur politischen Lage meint der achtzigjährige Campingchef Gunis sinngemäss: Entweder Putin und Trump saufen weiterhin Wodka miteinander, wenn nicht, holt sich Putin Europa. Klare Alternativen für diese Naiven.  

 

Die Sonne ist um zehn Uhr am Horizont untergetaucht. Spätnachts setze ich mich an den Strand des Sees, um die Verfärbungen in der Ferne zu beobachten. Das Wasser kräuselt sanft im Wind. Direkt vor meinen Füssen platscht, platscht und klatscht es lärmend auf den Sand. Unerbittlich. Wie ein verhaltensauffälliges Kind. Das Platschen und Klatschen stört mich. Draussen kräuselt das Wasser still und ruhig vor sich hin. Dort möchte ich sein. Die Ruhe geniessen! Platsch, Platsch, Klatsch lärmt es zu meinen Füssen weiter.

Es will auch gegen Mitternacht nicht ganz dunkel werden hier im Norden. Die Sonne, die nicht tief weggetaucht ist, färbt den Horizont und den Himmel in schönstes Licht. Jetzt suchen meine Augen den Himmel ab. Der Himmel ist wolkenfrei klar. Kein Stern zu sehen, aber auch gar keiner! Ich vermisse den Sternenhimmel!

 

Herrgott nochmal! Was ist bloss mit mir los? Kann ich das, was ist, so schlecht als Geschenk annehmen? Lebe ich im Hier und Jetzt, oder lasse ich Unerfülltes in mir Unruhe stiften? Nach dieser Einsicht lege ich mich mit mir und der Schöpfung versöhnt schlafen.

Wir sollten unbedingt Wäsche waschen. In ganz Lettland und Estland gibt es kaum Campingplätze mit Waschmaschinen. Also stellen wir uns an, von Hand in der Dusche zu waschen. Da kommt Campingchefs Sohn und offeriert, uns die Wäsche mit seiner privaten Waschmaschine zu waschen! Sooou grosszügig.

 

Am Mittag kommt Gunis selber und offeriert uns mit seinem vierundzwanzig jährigen Audi Achtzig einen Ausflug, um Aale, seinen Wald, Geheimnisse der Natur und Kaputtes aus der Russenzeit zu beobachten. Gunis lebt auf jedem Quadratmeter mit seinen Erinnerungen. Er sei durch und durch ein Lette. Sooou grosszügig, uns auszuführen!

 

 

2019 JULI

 

„Mu isamaa on minu arm.“ „Mein Vaterland ist meine Liebe“. Die Esten feiern den 150. Jahrestag des ersten Sängerfestes, und zum 20. Mal das Tanzfest. Die Republik ihre 100 Jahre seit der Ausrufung ihrer Unabhängigkeit (obwohl von 1944 bis 1991 unter Russischer Herrschaft) und die Hauptstadt Tallinn 800 Jahre seit ihrer Gründung durch die Dänen.

 

Die estnische Sprache tönt melodisch singend. Schwer zu lernen. Estnisch hat 14 Substantivfälle, dafür kein Geschlecht und keine Zukunftsform. Die Sprache ist eng verwandt mit der Finnischen und Ungarischen. Estland hat mit 99,8 Prozent eine der höchsten Alphabetisierungsraten der Welt.

 

Die Schweizer spassen mit „Chuchichäschtli“. Die Esten setzen Wörter zusammen. Als lustige Kreation wird „kuulilennuteetunneliluuk“ herumgeboten. Es bedeutet "die Luke, aus der eine Kugel herausfliegt, wenn sie einen Tunnel verlässt".

 

Bald ist Mitternacht. Ich sitze draussen. Über mir der helle, blaue Himmel, wolkenfrei. Blau ist nur e i n Wort. Die Blautöne über mir sind stufenlos. Ich kann sie nicht benennen. Traumhaft schön. Faszinierend und doch so einfach. Kein Stern am Himmel. Und ich vermisse keinen! Ich bin! 

 

Die Eltern von Aimar und sein Bruder Aimur empfangen uns mit sehr viel Aufmerksamkeit und Liebe in Jögeva. Aimur ist Sportlehrer und betreibt nebenbei noch ein wackeres Geschäft für Wettbewerbspreise und -auszeichnungen. Er hat sich dazu eine ganze Bahnstation gekauft. Zwei Berufe in einem. So arbeitsam sind die Esten.

 

Unglaublich, wie sich Estland in wenigen Jahren industriell total entwickelt hat. Im Süden von Tallinn sind jede Menge Industriebauten und Shops aus dem Boden geschossen. 

 

Ein Kriegsmuseum anzuschauen ist nicht unbedingt mein Ding. Aimur lädt uns aber zur Besichtigung des neu eröffneten Militärmuseums in Jögeva ein. Seine Eltern kommen mit. Aimur hat es bei der russischen Besatzung noch voll erwischt. (Aimar, sein Bruder, hat sich mit einem Sportstudium vor dem Militärdienst gedrückt.) Aimur musste unter den Russen zwei Jahre lang Wehrdienst leisten. Zwei Jahre lang ohne Heimaturlaub. Das war sehr hat, meint er.

 

Beim Initiant, Sammler und Umsetzer des Museums bemerkt man sofort sein Wissen und seine Begeisterung über die Metall- und Kleidungsstücke, die er in einer schlichten, berührbaren Weise und teils hinter Glas in einem alten Gebäude ausgestellt hat. Es sind meist Funde aus der Umgebung von der deutschen und der russischen Armee. Aimur und seine Eltern, Mare und Rein, bleiben mit Erinnerungen an vielen Gegenständen hängen. Beispielsweise beobachtet Rein eine silberne deutsche Gürtelschnalle über deren Emblem ein russischer Stern mit Sichel und Hammer angebracht wurde. Materialmangel macht erfinderisch.

 

Katj und Aimar leben in Lilleoru am Rande eines international bedeutenden,  interspirituellen Zentrums. Den Steinkreis umgeht Aimar mit grösstem Respekt. Nur auserwählte Personen können ihn betreten, ohne geistigen Schaden zu nehmen. Schamenen, Woudous und Vielgötterverehrer finden auf dem Gelände ihren Platz und halten ihre Zeremonien. Von Zeit zu Zeit gibt es interspirituelle Kurse und Vorträge jeglicher Art. Die Beiden gehen normalen Berufen nach. Katj macht Sozialarbeit in Tallinn, Aimar legt Platten und Fliessen in Bädern. Nebenbei ist er ein begabter und eifriger Naturfotograf.

 

Dicht umgeben von Wald und Blaubeeren steht seit Oktober 2018 Besuchern das Arvo Pärt Zentrum bei Laulasmaa offen. Im Gebäude voller Rundungen können im Konzertsaal hundertfünfzig Personen bei den einfachen Melodien und Klängen von Pärts Musik zur Ruhe kommen. Uns müssen Kopfhörer genügen.

 

„Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird. Dieser Ton, die Stille oder das Schweigen beruhigen mich. Ich arbeite mit wenig Material, mit einer Stimme, mit zwei Stimmen. Ich baue aus primitivem Stoff, aus einem Dreiklang, einer bestimmten Tonqualität. Die drei Klänge eines Dreiklangs wirken glockenähnlich. So habe ich es Tintinnabuli genannt,“ schreibt Arvo Pärt.

 

Pärt ist am 11.September 1935 ist in Paide (Estland) geboren. Seine Kompositionen passten nicht ins Repertoire der russischen Besatzer und die religiösen Themen schon gar nicht. Noch 1980 musste er auf Drängen Russland aus Estland raus. Er lebte mit seiner Familie in Wien und Berlin. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 lebt Arvo Pärt zeitweise wieder in Estland.

 

Es sind ausgerechnet die russisch orthodoxen Gesänge, die ihn im Komponieren weitergebracht haben. In Bezug dazu wird im Innenhof eine orthodoxe Kapelle errichtet.

 

Bei den Esten lebt die Tradition zu singen und in Trachten zu tanzen. Alle fünf Jahre gibt es ein immenses Fest in Tallinn. Erwachsene, Jugendliche, Kinder üben jahrelang darauf hin. Wir sitzen im Stadion mit unseren estnischen Gastgebern. Unglaublich, was vor unseren Augen abgeht. Einzelne Choreografien für hunderte von Tänzer und Tänzerinnen aus verschiedenen Gegenden. Farblich aufeinander abgestimmt. Themenbezogen. Traditionelle und moderne Tänze in wechselnden, teils ineinander verwobenen Shows. Traditionelle und moderne Melodien. Wunderbare Trachten und moderne Kostüme. Berührend! Mehrmals kollern Tränen über meine Wangen. Eine Schlusschoreografie mit allen mehr als zehntausend Tänzerinnen und Tänzern im selben Stadion. Ergreifend! Eine organisatorische Meisterleistung zu diesem gewaltigen Event. Was für einen Gemeinschaftssinn, was für eine mitreissende Kraft lebt in diesen Esten. Sooou schööön!

 

Am Abend diskutieren wir die Gefahr, die darin steckt, wenn Touristen wie wir den Einheimischen die Plätze wegschnappen. Beim Verkauf der Tickets waren in einer Stunde für drei Vorstellungen im Stadion alle Tickets weg. Schön zwar, aber grosse Reiseveranstalter haben ohne weiteres hunderte Tickets einkauft, den Einheimischen weggeschnappt. Zwar sind wir uns einig, die ganze Welt sollte von der einenden Kraft der tanzenden und singenden Esten wissen. Anderseits, wenn die Aussenwelt zugreift, geht der ganze Event in Flammen auf, will heissen, es wird nicht mehr das Fest der Esten, sondern der Touristen sein. Der Event wird zur Show verkommen und die einende Kraft, der eigentliche Sinn der Tradition, der Geist der Esten wird verbrennen. Zudem wehren sich die Esten heute schon, dass die Politiker vom Volksevent Besitz ergreifen. Schliesslich haben nicht die Politiker das Land freigekriegt, sondern der Zusammenhalt des selbstbewussten, singenden und tanzenden Volkes.

 

Am zweiten Tag unseres Events, am Samstag, stehen wir fünf Stunden am selben Fleck. An der Strassenparade nehmen Tanzgruppen, Chöre, Blasmusiken, Erwachsene, Jugendliche, Gymnasiasten und Schulkinder aus ganz Estland teil. Es sollen über dreissig Tausend Teilnehmende in ihren bunten Trachten sein.  

 

Am Sonntag rauscht der dritte Teil des Tanz-und Sängerfestes. Die muschelähnliche Gesangsbühne wurde 1960 fertiggestellt, also noch unter russischer Aufsicht.   

Aus 57 Orchestern spielen 1368 Musikanten gleichzeitig. Aus 186 Kinderchören zeigen 6642 Kinder perfekt synchronisierte Figuren zum gemeinsamen Singen. Aus 331 Chören singen und bewegen sich 11146 Frauen und Männer im gemischten Chor. Aus 670 Chören ertönen zum Schluss Lieder zur Freude auf Estland und die Esten mit 22021 Stimmen! Wir, die wir zuhören sind etwa 250000 Menschen! So gewaltig. Sooou schööön!

 

Was mich organisatorisch beeindruckt und in der Schweiz nienieniemals erlaubt wäre! Auf der Bühne bei den 22000 SängerInnen gibt es in der Mitte oben zwar einen Treppenausgang mit vier Wachposten, aber absolut keine freie Gassen zwischen den Sängerinnen und Sängern dorthin. Alle stehen sie dicht beieinander! Bei den 250000 ZuschauerInnen gibt es zwar zwischen den einfachen Reihenbänken Blocks mit Zwischengängen. Diese Korridore werden aber dauernd hin und her begangen. Aufsichts- und Auskunftspersonal gibt es nur bei den Ausseneingängen, nicht unter der Masse von Menschen im Innern. Was Verena besonders beeindruckt: Es gibt keine alkoholischen Getränke auf dem Gelände zu kaufen und die Leute sind trotzdem in fröhlicher Festfreude.

 

In der Innenstadt Tallinn sind am Montag die Sommertouristen eingezogen und füllen sie. Für mich bringt dieser Tag ein langsames Abschiednehmen.

 

Die Vegetation auf der Insel Muhu und auf der grossen Insel Saaremaa scheint mir nicht sehr verschieden wie die auf dem Festland. Saaremaa war zur Zeit der russischen Besatzung Sperrgebiet und nur mit Sondergenehmigung zu begehen. Kuressaare, der Hauptort mit der Burg, ehemals Eigentum der Fürstbischöfe von Riga, mausert sich langsam.

 

Riga war mein Ausgangspunkt für die Asienreise 2017. Jetzt bin ich zum vierten Mal hier. Jetzt driften wir weiter nach Polen bis vor Augustow.

 

 

Lästige Fliegen plagen uns. Da liest Roman einen Spruch aus Lapland, den Matthias in seinem Blog verwendet: „Bei jeder Mücke, die dich sticht, ertappst du Gott auf frischer Tat“. Und Matthias meint, Schmetterlinge würden doch auch genügen.   

2019 Juli T2

 

Umleitungen von Augustow in Polen bringen uns auf wahnsinnig holperige Nebensträsschen. Eine Tortur für mein Womo. Aber hast du bemerkt. Bisher habe ich nach mehr als viertausend anspruchsvollen Kilometern keine Pannen und Beanstandungen gehabt.

Irgendwo im Wald drin in Polen entdecken wir Adolfs Wolfsschanze. Die Schwarzschanze haben wir umfahren. Mich interessiert das Ausmass eines Führungsbunkers eines Grössenwahnsinnigen. Die Anlagen müssen schon  damals trotz zwei Casinos trostlos gewesen sein. Halbe Pyramiden hat der sich und seinen Kumpels bauen lassen und sich in den Boden verkrochen. Nur gut, dass die Zeit alles zerfallen lässt. Auch Scheusale und schlimme Bauten zerfallen und modern eines Tages.

 

Drei Ordensburgen sind es, die im Laufe der Jahrhunderte zusammengebaut wurden. Eine imposante Anlage, diese Marienburg (Malbork). Sie zu erforschen,  inklusive feinem Mittagessen im Innenhof, nimmt sechs Stunden Zeit in Anspruch.

 

Wir halten auf einem sandigen Platz bei einer kleinen Hütte am Wegrand bei Struga. Um die Hütte herum verteilt sich Abfall. Ich sammle ihn ein und hänge den Abfallsack an die Hütte, damit auch andere ihn benutzen können. Etwas später kommt ein Junge vom Ausgang zurück und erklärt mit wenigen englischen Worten und weltweit bekannten Gesten: „Der Wendeplatz hier gehört mir privat, aber weil du den Abfall eingesammelt hat, darfst du diese Nacht bleiben.“ Dann reicht er mir die Hand und wünscht „eine gute Nacht!“ Wie er mein Aufräumen bemerkt hat, ist mir ein Rätsel, ist er doch eben erst aus dem Auto seiner Freundin ausgestiegen und konnte das Ausmass meiner Sammlung noch nicht gesehen haben. Aber sooou schööön!

 

Nordpolen, das Land der Alleen. Wir meiden auf der ganzen Reise die Autobahnen. Infolge dessen durchfahren wir fast nur Baumalleen mit Linden und Eichen. Manchmal schattig luftig, manchmal dunkel dicht. Sooou schööön!

 

Polen bei Schweinemünde nach dem deutschen Heringsdorf zu verlassen kostet eine wackere Fährenwartezeit von zwei Stunden. Diese Geduld bringen wir doch nach vier Wochen Ferien auf!

 

Ich kann solche Orte wie Bansin an der Ostsee mit dem Aussehen aus früheren Jahren vergleichen. Die hübschen, stilbunten Häuser der vermögenden Berliner und später teils der Funktionäre der DDR sind heute mehr als den Promenaden entlang herausgeputzt. Eine grosse Volksmenge promeniert und radelt umher. Ich höre auch Einheimische, die staunend gucken, so haben d i e früher hier gelebt? 

 

Das Museum in Peenemünde versucht den Spagat, zwischen der vernichtenden Kriegsforschung und dem Nutzen für die Raumforschung durch die Raketenentwicklung darzustellen. Nach Stunden der Auseinandersetzung mit den Dokumenten, Fakten und Fotos habe ich erst einen geringen Teil der Ausstellung aufgenommen. In Peenemünde wurde die V1 und V2, sowie das Aggregat der fliegenden Raketen entwickelt und getestet. Raketen, die Adolf gegen London hat bauen lassen. Werner von Braun hat in Peenemünde freie Hand gehabt und sein Wissen nach 1944, um seine Haut und Einkommen zu retten, in Amerika weiterverkauft.

 

Wie war von Braun`s Einstellung zum Führer und dessen Schergen? Himmler soll versucht haben, ihn dem Reichsheer für die SS abzuwerben. Er habe ihm eine SS-Auszeichnung und SS-Uniform besorgt. Im Raketenwerk, wo das Schreckensregime auf kluge Köpfe nicht hat verzichten können, hat man eine Anekdote über von Braun herumgeflüstert. Er habe über die Uniform gewitzelt: „Jetzt habe ich frische Lumpen, mein Auto zu putzen“. Wahr oder unwahr? Sicher unterstützt diese Anekdote die Aussage Werner von Braun`s als Wissenschaftler und Techniker: „Ich will nicht nach London, ich will auf den Mond“. Und dazu hat er zweifelsfrei wesentlich beigetragen.

Greifswald zeigt im Innern viele schön restaurierte Gebäude. Am Ryk essen wir in der Schwalbe II, einem Schiff auf dem Zufluss zur Ostsee.

 

Eine Dame ist an beiden Armen und über der Brust kräftig tätowiert. Ich reisse mich zum ersten Mal im Leben zusammen und frage: „Mit Tatoos möchte man doch etwas nach aussen zeigen. Müsste es für mich aber peinlich sein, wenn ich dich nach dem Sinn der Tatoos frage? Ich stelle jemandem zum ersten Mal in meinem Leben diese Frage und gerade dir, weil ich dich als eine offene Frau wahrnehme.“ „Nein, das muss dir gar nicht peinlich sein. Schau, auf meinen inneren Armen sind Symbole, Lieblingsfiguren meiner beiden Söhne, die ich sehr liebe. Dieses schreiende Herz über meiner Brust, schreit über meinen geschiedenen Mann. Der war Alkoholiker und sehr böse zu mir. Du bist wirklich Pfarrer? Wird er einmal seine Strafe erhalten?“ „Das wird sehr lange dauern!“ „Danke, ja, aber er muss seine Strafe bekommen!“ So viel Schmerz kommt über ihre Lippen und ihr so flinkes, angenehmes Wesen. Sie hat Informatik studiert, arbeitet aber lieber in der Gastronomie. Das könne ihre Mutter nicht verstehen. Ich kann sie in allem wohl verstehen.

 

Die Insel Rügen mit dem Königstuhl gibt von innen her nur wenig Sicht frei auf die weissen Kreidefelsen. Darum knipse ich sofort, was davon aufscheint. Der Weg durch den wunderschönen Buchenwald verbindet mich sehr intensiv an meine Freunde, als wir uns hier im Februar zur Trauung aufgestellt haben.

 

Indessen gibt es von Patrice eine Collage vom Wald als Kunstbild und… er hat von einer Galerie in Madrid eine Einladung bekommen, im November in Leipzig drei seiner Bilder (Collagen) auszustellen! Sooou schööön!

 

In Rostock möchte ich den Verwandten Fabian besuchen. Die Antwort, die eintrifft heisst: „Ich bin grad in der Schweiz losgefahren… komme etwa um ein Uhr nachts in Rostock an.“ Schade, um diese Zeit sind wir schon längst in Wismar.

 

Die „offene“ Heilig Geist Kirche in der Stadt Wismar imponiert mir sehr. Es ist eine Hospitalkirche. 1326 wurde der Hauptaltar eingeweiht. Damals waren die Krankenbetten noch direkt in der Kirche aufgestellt. Die später eingebaute tiefe Holzdecke ist mit kleinen Medaillons wundervoll bemalt und mit Ranken verziert.  

 

Das schmucke, architektonisch gekünstelte Schloss auf der kleinen Schlossinsel in Schwerin hat grosse Ausmasse. Herzöge und Grossherzöge haben es über Jahrhunderte bewohnt und stetig aus- und angebaut.

 

Neunzig Prozent von Magdeburg an der Elbe soll zerbombt worden sein. Tatsächlich fällt es schwer, baulich was Attraktives zu finden. Wären da nicht ein paar Fragmente von Kirchen und vor allem unser Stellplatz (mit dreissig anderen) an der Elbe, müssten wir aus der Stadt fliehen.

 

In Weimar haben Grössen wie Schiller, Goethe und Liszt, auch Wissenschaftler und Professoren zu Hauf gelebt. Die Innenstadt ist aber zur Sommerferienzeit prallvoller Menschen, was meinen Gästen nicht gut bekommt. Weg nach Erfurt!

 

Ein Segen sind die unglaublich weiten Kornfelder um die Elde und Elbe im Land von Pregnitz und Altmark.

 

In Erfurt gab es in der DDR-Zeit das einzige katholische Priesterseminar, das halbwegs offen betrieben werden durfte. Die Studenten und Professoren hatten keinen Zugang zu theologischer Literatur aus dem Westen. Honegger wollte sie theologisch aushungern. Das gelang aber nicht. Solche Literatur war Schmuggelgut über Polen und auch in meinem Kofferraum über den JackPointCharlie in Berlin oder über Eisenach.

 

Abwechslungsreich wird die Landschaft wieder im Thüringer Wald und Frankenwald. Von den Hügelkuppen aus gibt es weite Sicht über die immensen Wälder. Sooou schööön!

 

In Bamberg verbringen wir die letzte und immer wieder ruhige Campingnacht, nachdem in der Altstadt ein Strassenfest seinen Lauf nimmt.

 

Von Vilters bis Vilters bin ich einen Umweg von siebentausend und dreissig Kilometern gefahren. Verkehrsmässig sehr oft auf einsamen, holperigen und engen Strassen, vorbei an Getreidefeldern, durch Wälder und Alleen. Das Womo hat manchmal vor Schmerz geächzt und gestöhnt, aber alles hingenommen ohne zu streiken. Dank unserer Freunde in Estland konnten wir das gewaltige Trachtentanz- und Sängerfest in Tallinn miterleben.

 

 

Verena und Roman meinen in diesen fünf Wochen im Womo besser geschlafen zu haben als zu Hause. Alle sind wir gesund geblieben. Sooou schööön!

 

2019 August

 

Meine Brüder Ernst und Paul bringen mir bei, wo die Wunderpflanze „Heidnisch Wundkraut“ (Gattung: Goldrute) wächst. Zum Beispiel auf der Vilterser Alp auf 1300 Meter an schattigen, feuchten Hängen. Heidnisch Wundkraut hat schon viele Wunder bewirkt bei nicht heilen wollenden offenen Wunden, bei entzündeten und bei eitrigen Wunden. Ein Büschel gedörrtes „Heidnisch Wundkraut“ gehört für Umschläge in mein Wohnmobil!

 

Ziteil am 1. August, dem Eidgenössischen Geburtstagsfest. Vor acht Jahren bin ich an diesem Tag, von diesem Ort (Cunter GR) mit Theres und Hans für unbestimmte Zeit mit dem Wohnmobil losgefahren. Jetzt darf ich wieder mit lieben Menschen in der Wallfahrtskirche Ziteil Gottesdienst feiern. Die wenigen TeilnehmerInnen aus St. Gallen helfen beim Singen der Taizélieder und die Sarganserländer nehmen sie frisch auf. Ein bethafter Gesangsteppich. Sooou schööön!

 

Der Wallfahrtspfarrer und Koch, Paul Schlienger, öffnet uns an diesem Tag extra die Kirche und Pilgerstube. Viele geniessen seine feine Suppe, Wein und Kaffee. Er sei heute besonders gut drauf, meint Denise. Klar doch, wir sind ja unter uns. In Sachen kirchlich progressiv – konservativ verkörpern wir je das bare Gegenteil und verstehen uns dabei menschlich bestens.

 

Die Nacht verbringe ich in Cunter auf dem Holz-, Salzplatz wie vorige Nacht. Ein Pole kommt angefahren, dreht unvermittelt eine Pirouette und driftet aus der Steinhagel- und undurchdringlichen Staubwolke davon. In meiner Frontscheibe quillt ein kleines Loch. Zufällig kommt zehn Minuten später eine Streife vorbei. Der Polizist macht ein Foto von meiner Front und meinem Fahrzeugausweis, falls die Versicherung Probleme machen sollte, mache er einen Journaleintrag. Voilà. Ohne mein Zutun! Jetzt lasse ich die faustdicken Steine, die ich gegen die nächste Pirouette aufgelesen habe, fallen.

 

Am Morgen, nicht allzu früh und doch so, dass ich noch am Schlafen bin, klopft es ans Womo. Judith hat beim Vorbeifahren mein Womo erkannt und mein Neffe Stefan gleich zu mir abgedreht. Wir verabreden uns im Fextal, wo sie ein Haus dauermieten. Marc und Ivo, ihre beiden Söhne, kommen mit Oma Käthi nach. Ivo gibt uns Grund zum Feiern. Er hat den Numerus Clausus mit Bravour geknackt und wird ab September das Medizinstudium in Bern aufnehmen.

 

Es gibt noch vereinzelt Plätze, wo ich am Silser See wild stehen darf. Also verlängere ich meinen Aufenthalt im Engadin und fahre mit dem Bike um den Silser See. Sooou schööön!

 

Ich kriege mein Entrecôte nicht gebraten. Das GPL in meinen Gastanks ist zu Ende. Im ganzen Engadin gibt es keine Gastankstelle. Gasflaschen nützen mir nichts. Jetzt fahre ich tausend Höhenmeter den kurvenreichen Malojapass runter bis Soglio, um vor der Grenze Gas zu tanken. Und wenn ich schon mal da bin, noch runter nach Chiavenna. Nochmals sechshundert Höhenmeter. Den Weg zurück über Tirano, dem Bernina Pass entgegen. Bei Le Prese am Lago di Poschiavo wird das Entrecôte gar. Sooou schööön!

 

Auf der Diavolezza betrachte ich eingehend den Piz Palü, den ich drei Mal bestiegen habe. Gefühle vergangener Zeiten! Ich kann mich nicht sattsehen an den Aufstiegsmöglichkeiten, den Rissen und Schrunden, Gletscherabbrüchen und nackten Felsen.

 

Ich werde beobachtet. Hinter mir stehen meine Fextaler Judith, Stefan und Käthi. Ohne Abmachung stehen wir zur selben Zeit vor diesem Hochgebirgswunder. Wir geniessen gemeinsam das Mittagessen. Über Stunden beobachten wir die Berge und Bergsteiger, die wandernden Nebel und Wolkendecken, die bedrohlichen Verdüsterungen und wärmenden Aufhellungen. Das Zusammentreffen im Gebirge! Sooou schööön!

 

Noch nie hat mich ein Murmeltier dermassen zum Narren gehalten, wie hier am Flüelapass. Irgendwo zwischen den vielen Gesteinsbrocken muss es sein. Je nach seiner Kopfhaltung kommt der Schall seines Schreies von rechts, von links, von oben oder unten. Ich kann das Tier nicht lokalisieren, nicht einmal mit dem Fernglas. Vielleicht schreit es auch hinter meinem Rücken. Ein durchtriebenes Viech!

 

Marc von der Fürk AG in St. Gallen stellt mit Kennerblick fest, was am Womo repariert werden muss. Aus einem Servicetag (bei 257200km) werden vier, fünf! Der übliche Ölservice. Dazu sechs neue Reifen, neue Bremsbacken, neue Bremsscheiben, beide Drehstäbe zur Minderung der Torsion sind ausgeschlagen. Zur Reparatur muss der Dieseltank abgehängt, eine Halterung durchgeschnitten und wieder geschweisst werden. Die Motorkühlanlage muss unter Druck getestet werden und vieles mehr. Später stellt sich heraus, der Kühlwasserbehälter ist spröde, leckt! Ersetzen. Deza kommt mit einer neuen Frontscheibe angefahren. Das Einsetzen und Ruhenlassen verzehrt einen ganzen Tag. Es wird noch ein sechster Tag folgen. Die Klimaanlage rastet aus! Das Womo fährt mit einem Linksdrall! Höhenjustieren und Spureinstellen durch minimste Drehungen schafft das Übel aus der Welt. Die Mechs gehen sehr umsichtig ans Werk. Schliesslich wollen sie auch, dass ich bei der nächsten grossen Reise nicht stecken bleibe. Sooou schööön!

 

Verena stellt in Egnach einige ihrer Bilder aus. Vier Frauen animieren sich seit vielen Jahren an einem Samstag zum Malen, Experimentieren, Entwickeln. Beachtenswert, was dabei entsteht und an Stimmungen dauerhaft wiedergegeben wird. Roman begleitet die Vernissage am e-piano. Viele Freunde begegnen sich. Sooou schööön!

 

In den Flumserbergen feiern meine Geschwister, Schwägerinnen und Schwager meinen 73. Geburtstag nach. Ein lockeres Zusammensein. Sooou schööön!

 

Nach einer Stunde Holzspalten kriegen meine zehn Greifer den Krampf, wenn ich beim Mittagessen versuche Messer und Gabel zu führen. Na sowas!

Die Silvretta Hochalpenstrasse bis zur Bieler Höhe windet sich steil empor. Sieben Mal lässt sich der zweite Gang an meinem Womo nicht einlegen. Kein gutes Gefühl am Steuer.

 

Auf der Bieler Höhe halten die Berge rund herum einen wohltuenden Abstand zum Silvrettasee. Eine wunderschöne Gebirgslandschaft.

 

In Ischgl sehe ich mich um, weil einige junge Freunde vom Winterangebot sehr angetan sind. Die vielen Beizen und Reklamen dazu passen wohl mehr in die langen Winterabende als in den grünen Sommer.

 

In St. Valtentin über dem Reschenpass überlässt uns Frau Thöni ihren letzten Stellplatz auf dem modernisierten Camping. Glück gehabt, weil die Italiener sich hier oben wie die Engadiner gegen Fahrende mit Verbotstafeln wehren.  

 

Nach Müstair GR wieder in der Schweiz zielen Theres, Hans und ich den Umbrail Pass an, um nach Bormio (Italien) zu gelangen. Kurz vor der Abzweigung in St. Maria nehme ich auf dem GPS wahr, alle Tunnels auf der italienischen Seite sind zu niedrig für mein gewaltiges Wohnmobil.

 

Also lassen wir den Umbrail und fahren über den Ofenpass und rauf auf den Bernina. Auf dem gesamten Gemeindegebiet von Pontresina ist wildes Campen verboten. Wir fügen uns und nächtigen auf dem naturbelassenen, buckelingen Camping Morteratsch. Ein Paradies für Kinder mit den vielen kleinen Wasserläufen, Fichten, Erlen und Arven zwischen allen Campern.

 

Der Rückgang des Morteratsch- und Persgletschers ist gewaltig. Die Seitenmoränen sind bald abgespült.

 

Regenzellen auf dem Radarschirm unterstützen unseren Entscheid, über den Flüelapass nach Vilters runterzusteigen.  

 

Vor diesem Pässe-Trip hat ein „Nachtwächter“ um 03.20 Uhr an der Haustüre meines Neffen in Vilters gerüttelt. Durch die grelle Lampe im Hof bin ich aufgewacht und der Kerl ist abgezogen. In dieser Nacht rüttelt ein „Nachtwächter“ um 3.30 Uhr an meiner Womotür. Aus dem Tiefschlaf aufgewacht, aus dem Bett gepoltert, reisse ich die Türe auf gucke umher und schliesse die Türe vorsichtshalber wieder, falls der Kerl brutal werden sollte. Er versteckt sich im Dunkeln hinter dem Fliederbusch dicht neben meiner Womotüre. Ein paar Minuten später zieht er, als sei er nicht gestört worden, aufrechten Ganges durch die Strasse. Etwas entfernt von mir höre ich Alarmtöne. Er übt sich weiter im Einschleichen. Warum ich nicht die Polizei rufe? Letztes Mal gaben sie mir zur Antwort: „Es ist keine Patrouille frei“. Vielleicht wird es für mich bald in Süd- und Mittelamerika nicht so wild wie hier in der Schweiz.

 

 

SEPTEMBER 2019

 

An der Silvretta Hochalpenstrasse kann ich den zweiten Gang mehrmals am Womomotor nicht einschalten. Du erinnerst dich an mein ungutes Gefühl. Fürk AG in St. Gallen gibt mir rasch einen Termin, um die Schaltseile auszuwechseln. O weh! Die ausgebauten Schaltseile sind zirka zwanzig Zentimeter länger als die Originalseile. Was nun? Passende Seile müssen angefertigt werden. Das soll eine Woche dauern. Neuer Termin. Erneutes Aus- und Einbauen.

 

Mathias Good singt und spielt als Alleinunterhalter die Handharmonika im Torkel der Weinhandlung Obrecht zu Jenins. Wir freuen uns, mit unserem Bruder Paul seinen 75. Geburtstag zu feiern. Sooou schööön!

 

Nadine und Tobias laden mich zur Vorpremière „o solo io“ von MartinO in Engelburg. In diesem neuen Programm kommen die Talente von Martin voll zur Geltung. Gesang, mehrstimmige Gesänge allein vorgetragen, Charme, Witz, Improvisation, Publikumsnähe. Sooou schööön!

 

Lukas Bolt dirigiert ein Orchester, Sängerinnen und Sänger aus mehreren Chören zur Krönungsmesse von W. A. Mozart und zu Werken für Klavier von L. v. Beethoven in der  Tonhalle St. Gallen. Fantastisches leistet an diesem Abend auch Simone Walther am Klavier. Martin, der Bruder von Mathias Good und selbst Sänger hat Betty, Paul, mich und andere Verwandte zu diesem kulturellen Abend eingeladen. Sooou schööön!

 

Alpabfahrt in Mels. Sehr zart klingen die Glöckchen der braunen Ziegen, die für uns Schaulustige durch das Dorf getrieben werden. Sehr eindringlich laut die schweren Plümpen und Schellen der Küche! Alles was Hörner hat, bekommt einen Schappel (Chapeaux) mit frischen Blumen aufgesetzt. Hörnerlose Kühe, Rinder und Kälber einen Grünzeugring über den Rücken und um den Bauch. Mitte September kann es auf den hochgelegenen Alpen plötzlich schneien. Darum werden die Kühe zu dieser Zeit ins Tal gebracht.   

 

Den Bettag mit Gesängen des Jodlerchores in Vilters zu feiern, ist emotional sehr stimmig.

 

Für mich stimmig ist aber auch die Ausweitung auf die hier lebenden Nationen und Religionen. „Ich höre dein Gebet…für den Frieden“ nennen die Organisatoren der IDA dieses interreligiöse Gebet am Eidgenössischen Dank-, Bus- und Bettag auf dem Kathedrale Platz in St. Gallen. Zum Werdegang dieses Ereignisses habe ich ab 1999 mit meinen Kollegen mit zuerst innerchristlichen und dann interreligiösen Bettagen beigetragen. Wie freut es mich, dass dieses interreligiöse Gefäss weiterhin ausgebaut und gepflegt wird! Wir feiern einen emotional und inhaltlich tiefgründigen Anlass, in dem wir den Hindus, Juden, Christen, Buddhisten, Muslimen, Siks und Bahai bei ihren Gebeten zum respektvollen Umgang mit Mensch und Natur und um den  Frieden zuhören. Sooou schööön!

 

Untrainiert wie ich bin, komme ich nicht ungestraft mit dem Mountainbike auf den Kunkelspass nach Vättis. Hans wartet ausgeruht auf mich, während ich keuchend, mein Ding schiebend, Schritt für Schritt den Krampf in meinen Schenkeln vermeidend oben ankomme.

 

Es hat etwas länger gedauert mit dem Anfertigen der Schaltseile fürs Womo. Nun aber arbeiten sie störungsfrei und der Schaltknüppel lässt sich mit zartem Händchen bedienen! Beim Auslesen der Fehlerdaten bemerken die Mechs in St. Gallen einen Druckabfall im Kühlwassersystem. Zum Glück haben sie bei der letzten Operation fluoreszierendes Mittel beigegeben und sehen jetzt mit ultraviolettem Licht und Brille rasch, welcher Schlauch leckt. Das Begleitübel? Der Schlauch muss bestellt und herangeschickt werden. Bitte Warten!

 

Das Auswechseln des Druckschlauches am Womo-Motorkühlsystem wäre eigentlich nicht so aufwändig, wenn nicht eine Schraube am Kühlergrill abgebrochen wäre. Es chögelet! 

 

Die mechanischen Eingriffe sind es nicht, die mich die letzte Nacht wirklich schlecht haben schlafen lassen. Es ist der Umstand, dass ich auf dem Weg zum Kopieren meinen Führerausweis verloren habe. Als Folge davon ist auch der Internationale Führerschein, den ich vor einer Woche bekommen habe, ungültig, weil auf dem neuen Führerschein eine neue Nummer eingetragen sein wird. Perfekt, diese Bürokratie! Den Führerschein brauche ich zur Womo-Verschiffung in Hamburg. In sechs Tagen muss ich losfahren. Die Zeit läuft mir davon!

 

Dr. Luzius Knöpfli in Walzenhausen AR checkt meine Befindlichkeit. Seine Untersuchungsdaten entsprechen meinem Wohlbefinden. Trotzdem verweist er mich noch zum genaueren Check an einen Kardiologen in Heerbrugg SG.

 

Weil die Zeit drängt muss ich den Führerschein am selben Tag nach dem Kardiologen in Heerbrugg am Schalter des Strassenverkehrsamtes in Steinhausen ZG abholen.

 

Fazit der letzten zwei Tage: Dem Womo geht es wieder sehr gut. Mit meinem Herzen ist alles in Ordnung und zum Fahren habe ich wieder einen europäischen und einen internationalen Führerschein.

 

In Nörten-Hardenberg D treffe ich Bärbel und Hans, Bekannte von der Seidenstrasse 2017. Anderntags fahren wir mit beiden Womo`s zu Telse und Claus in Bornhöved D. Auch diese Beiden kennen wir von der Seidenstrasse. Sie alle kommen mit auf die Panamericana. Bei Telse und Claus dürfen wir zwei Tage lang Gäste sein und Claus zeigt uns sein modernes Säge- und Holzverarbeitungswerk. Immens!

 

In Elmshorn D baut mir Kerkamm zwei neue, plombierte Gastankflaschen ein. So verlangt es die Reederei Grimaldi. Sechs Minuten Arbeit macht 108.95 Euro. Ziemlich abzockend!

 

Am Freitag, 27. September 2019 stellen wir unsere Womo`s im Frachthafen von Hamburg ab. Am Freitag, 5. Oktober soll das Frachtschiff von Grimaldi, die Grande San Paolo mit unseren Womos an Bord auslaufen. Zirka am 4. November 2019 sollte es im Hafen von Buenos Aires - Zarate fahrbar ankommen. So unsere Hoffnung!

Mein Innerstes beginnt jetzt langsam zu begreifen, dass demnächst etwas Grosses abgeht. Sooou schööön!

 

Peter Roth, der Musiker und Komponist, musiziert an der Matinée zu seinem 75. Geburtstag in der Neudorfkirche St. Gallen grad selber mit zwei Chören, Solistinnen und Solisten. Sein musikalischer und textlicher Ausdruck wirkt sehr stark auf mich. Der Psalm 23 zum Abschluss der Feier drückt viel Vertrauen in jeder Lebenserfahrung aus. Da verbinde ich mich gedanklich mit Menschen und Schicksalen in meinen ehemaligen Gemeinden. Erfüllt und glücklich über meine Begleitung „Gott isch min Hirt, mir fehlt`s a nüt“ ziehe ich wieder meines Weges. Sooou schööön!

 

Eigentlich fühle ich mich heimatlos ohne Womo, das vier Wochen lang irgendwo auf dem Meer treibt. Doch Theres und Hans stellen mir den ganzen Oktober lang ihre Ferienwohnung in den Flumserbergen zur Verfügung. Sooou schööön!  

 

 

PS:     Wo gondelt oder steht das Frachtschiff GRANDE SAN PAOLO von Grimaldi zur Zeit? Das kannst du im Internet er-google-n unter:  https://www.vesselfinder.com/de/vessels/GRANDE-SAN-PAOLO-IMO-9253208-MMSI-247091500

 

OKTOBER 10 2019

 

St. Fiden feiert das Patronatsfest der Heiligen Fides. Als Festpredigerin ist die Frau-Mutter des Klosters Notkersegg über der Stadt eingeladen. Diese humorvolle, aufgestellte Nonne bringt uns mehrmals zum Lachen. Aufgewachsen in einer deutschen Grossfamilie mit zehn Buben! Sie hatte allerhand studiert und war Balletttänzerin. Aus dieser Erfahrung übernimmt sie in der heiteren Predigt das Bild einer Pirouette. Als Kind lerne man in der Tanzschule, sich auf einen einzigen Punkt im Raum zu konzentrieren, auf den man nach jeder Drehung wieder schaue. So verliere man nicht das Gleichgewicht, nicht die Orientierung. So werde einem nicht schwindelig. Das sei ein Bild für ihren Glauben und für den der Heiligen Fides. Sich immer wieder ganz fest auf den einen Punkt im Glauben, auf Gott konzentrieren. Das sei auch eine Antwort auf die Bitte der Jünger an Jesus: „Herr, stärke unseren Glauben“.

 

Der ökumenische Singkreis singt in diesem festlichen Gottesdienst unter der Leitung von Maja Bösch und Norbert Schmuck an der Orgel aus der Bruckner-Messe. Ferner den Psalm 23 von Peter Roth und „mein“ Vater unser nach Rimsky Korsakow mit der Erweiterung „..denn dein ist das Reich…“ von Alois Odermatt. So berührend. Sooou schööön!

 

Romy und Miro, die ich 2015 in Kanada kennen gelernt habe, zeigen in Schlieren ZH wunderschöne Fotos über Argentinien, Chile, die Osterinseln und Antarktis. Sie stimmen mich ein auf die Reise in Argentinien und Chile.

 

Auf der Tannenbodenalp in den Flumserbergen wird das Kuhrennen ausgetragen. Zehn junge Frauen sitzen sattellos auf zehn Kuhrücken und lassen sich von einem Treiber, der mit blossen Händen die Kühe von hinten zum Galoppieren animiert, begleiten. Ein Volksspektakel!

 

Ich habe das Verfassen einer Patientenverfügung, eines Vorsorgeauftrages, eines Testamentes, eines Lebenslaufes, das Organisieren „der letzten Dinge“ immer wieder von mir geschoben. In den letzten drei Wochen habe ich mich dazu durchgerungen, alle diese Dinge zu erledigen. Eine Heidenarbeit! Jetzt sind Puzzleteile personenbezogen besprochen und beschrieben. Vertrauenswürdige Personen werden sich für mich einsetzen, wenn ich einmal nicht mehr kann. Das gehört auch zu einer guten Reisevorbereitung. Was für ein gutes Gefühl nach getaner Arbeit!

 

Mit Geschwistern und Verwandten treffe ich mich zum Abschiedsessen im Restaurant Morgenstern bei Mels. Hirschpfeffer für die Meisten. Alle lassen mich gern ziehen und wir freuen uns auf ein Wiedersehn nach einem Jahr!

 

Roger besucht mich zum Abschied in den Flumserbergen. Ein Wandertüürli soll`s schon sein. Hans, im nächsten Monat 81-jährig, begleitet uns zur Prodalp, dann zieht er uns weiter zum Prodkamm und weiter zum Maschgenkamm und weiter zum Zieger und das alles zurück. Durch seine Leistung schenkt er uns Gelassenheit und Hoffnung, dass auch Roger (40) und ich (73) noch einige Jahre wandernd geniessen können.  

 

Beim Abschied von meiner 94-jährigen Cousine Rösli in Gossau gibt`s Tränen. Verständlich, denn ihre Frage „werden wir uns wiedersehen“ scheint ihrem Alter näher zu liegen als bei jungen Menschen. Das kann aber gewaltig täuschen.

 

Theres liest beim Abschiedsessen einen altirischen Segen. Der soll auch Dir gelten!

„Gott sei vor dir, um dir den rechten Weg zu zeigen; Gott sei neben dir, um dich in die Arme zu schliessen und dich zu schützen; Gott sei hinter dir, um dich zu bewahren vor der Heimtücke böser Menschen; Gott sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst, und dich aus der Schlinge zu ziehen; Gott sei in dir, um dich zu trösten, wenn du traurig bist; Gott sei um dich herum, um dich zu verteidigen, wenn andere über dich herfallen; Gott sei über dir, um dich zu segnen.“