2015 September
Woody, zwei Jahre älter wie ich, mit einem respektablen Schiff und Womo unterwegs, inspiziert in Princetown im Staate Maine USA begeistert mein Womo. Er ist Agnostiker. Tut nichts zur Sache, er findet Papst Franziskus einen grossartigen Menschen. Woody kommt nach einer Weile mit einer Top-Stablampe zurück, um sie mir zu schenken. Schweizer Militär und Polizei werden mich um diese Lux beneiden.
Mein Lager schlage ich am selben Abend in Portsmouth, Maine auf. Jeanne und Berry bestaunen mein Womo. Sie sind in einem umgebauten VW-Bus unterwegs. Berry ist Bar-Pianist. Im Januar spielt er jeweils im Hotel Europa in Davos. Da werde ich ihn besuchen. Berry und Jeanne wohnen in Halifax. Jeanne offeriert mir spontan, die paar Tage bei ihr zu hausen, wenn ich mein Womo zurückschiffe und in Halifax auf meinen Flug in die Schweiz warte. Sie tut das für ein gutes Karma. Was bin ich für ein Glückskind. Sooou schööön.
Der Acadia National Park ist ein Inselbereich im Ozean vor Ellsworth, Maine gelegen. Auf dem Somes Campground im Acadia National Park bittet Chris um einen Korkenzieher und schenkt mir gleich fünf selbstgezogene, feine Tomaten. Anderntags folgen zehn weitere. Abends kommt sie gern auf ein Bier. Ihr Partner schlafe nach dem ersten Bier gleich weg. Gut für mich.
Einsam döst das Womo über Land. „Ist das hier eine Zahlstelle zur Autobahn oder die Grenze“, frage ich überrascht bei Calais (Maine, USA). „Das ist die Grenze“ grinst eine nette, kanadische Grenzerin. In weniger als einer Minute bin ich ohne Fragen und Inspektionen wieder über der Grenze in Kanada, in Stephen.
Ich habe viel Zeit für die wenigen Kilometer nach Halifax. St. Andrews ist ein gastfreundliches Touristenstädtchen, das ich schon vor einem Jahr besucht habe. Während einigen Tagen geniesse ich das pure Nichtstun am Meer und dann im Shubie Park bei Halifax. Ferien nach einem Jahr unterwegs!
Auf dem internationalen Flughafen in Halifax hole ich am 17. September Béatrice und Urs Lütolf ab. Sie sind meine Gäste in den nächsten vier Wochen.
Am Eingang zum Taylor Beach PP zögere ich wegen fünf Kilometer Naturstrasse, die zu fahren sind. Ein Ehepaar bemerkt mein Zögern und sagt: Folgen Sie uns. Unerwartet liegen wir an einem feinen Sandstrand erst im kalten Meer und dann an der Sonne. Die Wanderung über vier Kilometer führt vom Sand- zum Kiesstrand, dann zu Felsklippen mit Welt-Urgestein und durch kurzstämmige Pinienwäldchen zurück. Sooou schööön.
Der Zugang zum Nimrod Park Campground verheisst nichts Schönes. Kiesgrube, dichter Wald. Unmittelbar vor dem Camp spiegeln sich die Pinien im ruhigen Wasser des Sees. Was für eine Überraschung. Béatrice und Urs können es sich am Abend verkneifen, erneut ins Wasser zu springen. Am Morgen aber hechten sie von der Plattform.
Das Womo leidet ständig unter Gasausfall. Urs übernimmt den Job, das Crache-Ventil zu bedienen. Das wird ihm aber doch nach Tagen zu bunt. Er blockiert es kurzerhand mit einem Stück Holz und einer Schnur. Der Kühlschrank arbeitet wieder ohne Unterlass Tag und Nacht und auch der Herd flackert wieder. Béatrice kann wieder Futter und Kaffee kochen.
Ohne Reservation schauen wir mal beim Fährhafen in Sydney am Nordzipfel von Nova Scotia vorbei. Um Mitternacht verlässt eine Fähre den Hafen und legt nach sieben Stunden in Channel-Port aux Basques, New Foundland an. Wir sind an Bord! Am Morgen fahren wir bei dichtem Nebel an Land.
Für`s Wandern orientieren wir uns an den National- und Provinzparks. Der Gros Morne fordert mich mit sechs Stunden und achthundertsechs Höhenmetern. Mouse (Elche) und Schneehühner bekommen wir zu Gesicht. Eine Schwarzbärenspur auf unserem Abstieg. Wau. Auch die sind hier.
Nach einigem Inselhüpfen (statt Fähren auf schmalen Dämmen) von Lewisporte nach Twillingate stellen wir unser Womo über den schroffen Klippen ab und wenden uns dem Sonnenuntergang zu. Sooou schööön!
Béatrice und Urs joggen und wandern täglich nach Herzenslust, so auch im Terra Nova NP.
Die europäischen Eindringlinge haben sich offenbar nicht für die Kultur der Indianer interessiert. Selbst in Interpretativ Centren wird die Indianerkultur nur knapp dargestellt. Das Fassbarste für europäische Saisonfischer waren wohl die zerstörten Hinterlassenschaften, wenn sie im Jahr danach wieder zum Fischen kamen. Aus den Eisennägeln der abgefackelten Schiffe schmiedeten die Indianer Speer- und Pfeilspitzen.
Da hockt doch wieder Etwas im Gebüsch. Beim Wenden reisst ein Stück von der Hinterwand aus. Ich mag gar nicht nachschauen, was es ist. Ein Stück Draht, eine Zange und ein Sackmesser reichen Urs, um die Wand wieder an den Rest des Wohnmobils zu binden.
Der letzte Landzipfel von Bonavista präsentiert sich traumhaft schön zerfurcht in der Abendsonne. Das Meer grün vor uns und dunkelblau in der Ferne. Wir sitzen auf 600 Millionen altem Urgestein! Gestein aus dem Abkühlungsprozess der Erde. Festland entsteht! Sooou schööön.
Hinter uns bereits dunkle Wolken über dem Meeresufer. Der Wind schlägt heftig ans Wohnmobil. Dicke Jacken und Handschuhe montieren. Ein Knall. Was war das? Nichts ersichtlich. Ich steige aus. Vor mir liegt ein Dachfenster auf dem Boden. Natürlich von meinem Womo. Bohrmaschine, Draht, Klebebänder, Leiter. Alles vorhanden. Womo hinter ein Postgebäude in den Windschatten stellen und rauf aufs Dach. In zwei Stunden ist der Flick perfekt. Wieder geht’s in die äusserste Ecke des Dungeon Provincial Park. Hier setzen wir uns Wind und Regen aus und warten auf den Sonnenaufgang am anderen Morgen.
Auf dem Skerwink Trail vor Trinity gucken wir immer wieder über die senkrechten Klippen ins grüne und blaue Meerwasser.
St. John`s ist die östlichste Stadt in Kanada. Den steilen und queren Strassen entlang liegen gepflegte, farbenfrohe, viktorianische Häuser aus wirtschaftlich guter alter Zeit. Damals Fischfang. Heute Ölförderung.
Das Johnson Geo Center in St. John`s beeindruckt mit Darstellungen zum Werden der Erde und mit Gesteinsbrocken aller Art.
Eine steilabfallende Strasse führt in das Fischerdörfchen Brigus Head unten am Meer. Wir lassen vorsichtshalber das Womo oben stehen und steigen zu Fuss ab. Bei einem Gespräch mit Fischermannsleuten tragen wir einen Sack Kabeljaufische davon. Sie hätten den regulären Fang eingebracht. Auf die Frage, ob wir im Fischhäuschen ein Foto von ihnen knipsen dürfen, meint das Familienoberhaupt: Ja, sofern wir nichts mit der Fischereiaufsicht zu tun haben. Was nun? Regulärer Fang oder Angst vor einer Anzeige? Jedenfalls sind es sehr gesprächsbereite, nette Leute, diese irisch stämmigen Menschen.
Da hockt doch wieder etwas im Gebüsch vor einer Steinmauer. Ein junger Weisskopfadler (Bald Eagle). Des Fliegens müde sucht er Schutz im dichten Gebüsch. Er stellt seine Flügel als wir ihn entdecken. Nach langem Warten, wir möchten ihn nicht einem streunenden Hund preisgeben, fliegt er mühsam schwingend davon. Erst mal zu einer Fischerhütte. Wieder ruhen. Dann endlich schafft er es auf eine Klippe. Hier wissen wir ihn in Sicherheit. Er ist gerettet.
Wir klappern alle Klippen und Küsten ab. Im Süden der Avalon Halbinsel entfalten sich karge, baumlose Ebenen. Sooou schöön. Am äussersten Südzipfel bei Trepassey, dem Mistaken Point , finden sich 565 Millionen Jahre alte Fossilien. Damals durch eine dicke Schicht Vulkanasche erstickt und konserviert. Sie sind aus der Zeit der Entstehung von Grünzeug auf dem kurz vorher (sechshundert Millionen Jahre) gebildeten Festland erhalten bis in unsere Zeit.
Die Trails in den Parks sind bereits ab Mitte September geschlossen. Béatrice und Urs finden aber immer wieder Fusswege mit überraschenden Ausblicken über Hügel und Meeresarme. Allerdings, die Verfärbung der Blätter, die ich gespannt erwarte, hat sich erst an wenigen Bäumen eingestellt. So gebe ich mich mit dem satten Blau des Meeres und dem oft roten Felsen und den grünen Bäumen zufrieden. Sooou schööön.
Auf Neufundland hat sich aus europäischer Sicht Wichtiges ereignet. Giovanni Caboto (John Cabot) landete hier am 24. Juni 1497.
Captain Peter Easton baute hier eine Piratenflotte auf und kam zu ungeheurem Reichtum bis er sich als Edelmann nach Savoyen zurückzog. Das Piratenfort wurde 1870 zu einem Zollhaus umfunktioniert. Mir ist nicht klar, wo der Unterschied zwischen Piratenfort und Zollhaus der damaligen Zeit liegt.
1866 wurde das erste Telefonkabel von 4440 Kilometer Länge von Irland über den Atlantik wurde hierher verlegt. Eine Woche nach der Einweihung war es allerdings wieder kaputt.
Von Gander aus starteten Flugpioniere wie Charles A.Lindbergh und Amelia Earhart in Richtung Europa.
In Cape Race wurden am 14./15. April 1912 die ersten Morsezeichen von der untergehenden Titanic empfangen.
Während des Kalten Krieges starteten und landeten in Gander US-Spionageflugzeuge ebenso wie sowjetische Passagiermaschinen. Die Crews begegneten sich beim Shoppen.
Nach der Sperrung des US-amerikanischen Luftraumes im Zusammenhang mit dem 11. September 2001 wurden drei Dutzend Transatlantikflüge nach Gander umgeleitet. Die damals knapp zehntausend Einwohner stellten für die 6600 gestrandeten Passagiere und Crews Verpflegung und Unterkunft bereit!
Auch Béatrice, Urs und ich geniessen die Gastfreundschaft der New Foundlander. Uns fehlt es an nichts. Sooou schöön!
2015 Oktober
Der Küstenverlauf um ganz Neu Fundland ist aufgelöst durch fantastische Buchten und Fjorde.
Mit tausendeinhundertfünfundvierzig Tritten und Laufstegen ist der „schönangelegteTrail“ bei Triton (Hwy Sackgasse 340)bequem zu gehen und führt zum Top-Aussichtspunkt über die Verzweigungen der Meeresarme. Béatrice und Urs Lütolf sind alleine losgezogen. Zurückgekommen schwärmen sie von dieser Entdeckung. Also hole ich diesen Treppenweg alleine nach. Sooou schöön.
Von der Holzverarbeitungsstadt Corner Brook zieht der Humber Arm über fünfzig Kilometer weit ins Meer hinaus. Briton sollen wir uns anschauen, meint ein Einheimischer in Triton am äusseren Ende des Humber Arm, und das tun wir. Idyllische kleine Buchten werden bewohnt. Ich erkundige mich bei einem Hausbesitzer nach der Art der perfekt bemalten Häuserfassaden. Weit abgelegen in einsamen Buchten leuchten die Häuser wie neu bemalt. Nicht Holz kleidet sie, sondern Plastik. Sofort lädt der Gentleman ein, seine eben geräucherten Makrelen zu kosten. „Wunderbar“. Gleich wandern zwei davon in die Tüte. So freigebig!
Pictou präsentiert farbenfroh alte Häuser. An einem Hubstapler hochgezogen weidet ein erfolgreicher Jäger, der selber kaum noch gehen kann, sein in Cape Breton erlegtes Moose (Elch) aus.
Die zwölf Kilometer lange und schmale, fragile Dünenhalbinsel bei Bouctouche ist seit meinem Besuch im Juli 2014 erhalten geblieben. Auch Maurry, der französische Weinbauer und Campingbesitzer beherrscht dieselben Sprüche bei seiner obligaten Wein-Degustation. Neu ist mir der grosse Baumpark des Ölmagnaten IRVING. Der Park ist fürs Publikum freigegeben.
Béatrice verlässt Urs und mich für vier Tage. Sie steigt in Fredericton in ein Propeller-Flugzeug und fliegt zu einem Kongress in Montréal. Während das Flugi in die rotgelben Wolken aufsteigt, schlagen Urs und ich in dieser farblichen Abendshow unser Lager am mächtigen Saint John River bei Fredericton auf.
Am Morgen steigen wir aus dem Nebel über dem Fluss zu besonnten Hügeln auf, tauchen auf der weiteren Fahrt ein paar Mal wieder ab und auf. Der Nebelschleier und dann wieder die herbstbunte Pracht der Bäume entlocken mir immer wieder ein sooou schöön.
Nach vierhundert Kilometern bis Rivière du Loup parken wir auf der Fähre. Sie bringt uns in eineinhalb Stunden über den Lorenzstrom nach Saint Siméon. Wir sind erstaunt über das gute WiFi, das erst seit einem Jahr existiert. „Ohne WiFi kommen die Kinder im Sommer nicht auf den Campground,“ erklärt der Camp-Betreiber.
Im Staate Quebec wechselt die Sprache schlagartig von Englisch auf Französisch. Im Hinterland hat sich das Wissen, französischer Abstammung zu sein, am Reinsten und Kraftvollsten erhalten.
Der Saguenay Fjord, dem wir entlang fahren, gilt als der südlichste Fjord auf dem Kontinent, vom Gletscher geschliffen. Am Ende des Fjords gibt es grosse, wohlhabende Städte wie Saguenay, Alma und Roberval. Nördlicher aber ist Schluss mit bewohntem Gebiet. Dort liegt das unwirtliche Seen- und Tundragebiet.
Quebec erlebe ich als sehr hübsche Hauptstadt, mit grossen Parks, gediegenen Häusern, einem grossen Altstadtkern, umgeben von einer Stadtmauer. Das älteste erhaltene Haus datiert auf das Jahr 1677.Vor dem schlossähnlichen Hotel Frontenac bei der Zitadelle blicke ich auf den Lorenzstrom hinunter, wo am Hafen von Quebec auch Kreuzfahrtschiffe anlegen.
In Quebec steigt Béatrice wieder ins Womo. Starten vom Campground geht nicht auf Anhieb! Ein Überbrückungskabel zur Motor-Batterie habe ich am Anfang dieser Reise gekauft. Ein Nachbar kommt mit seinem Truck zu Hilfe. Der Diesel-Motor brummt wieder.
Wir verbringen einen Regentag beim Fahren am südlichen Ufer des Lorenzstroms entlang bis Rivière du Loup . Hunderte kanadischer Gänse sammeln sich an geeigneten Futterplätzen.
Die meisten Campingplätze sind ab Mitte September bereits geschlossen. So auch der an der Schlucht von Grand Falls. Ausgerechnet jetzt: Heizungsausfall im Womo! Zwei Grad draussen. Neun Grad drinnen. Die Gäste überleben die Nacht ohne Zittern. Solange noch ein Hauch Gas da ist, um Kaffee zu kochen, geben sie sich zufrieden.
Fredericton bietet einen ruhigen Wanderweg durch die bunten Wälder. Béatrice geniesst nun auch den Camping in Hartt, wo sich für Urs und mich der Loop durch die Staaten New Brunswick und Quebec wieder schliesst.
Die Steilküste bei Joggins in der Nähe von Amhoerst ist voller pflanzlicher Fossilien. Das Meer mit seinen 15m Gezeitenunterschied wäscht versteinerte Baumäste und –Stämme frei. Durch die immense Erdplattenverschiebung stehen die Stämme, die damals gefallen waren, wieder aufrecht.
Die Five Islands liegen direkt vor unserem Campground. Es ist unsere letzte Anlaufstelle für eine Nacht ausserhalb von Halifax. Unterwegs schwelgen wir in den Herbstfarben der weiten Wälder.
Der Shubie-Park-Campground in Halifax ist eigentlich geschlossen und wird für den Winter runtergefahren. Trotzdem darf ich noch ein paar Tage hier stehen! Gegen bar, versteht sich.
Ich muss auch mein Womo runterfahren. Die Kanadier verlangen beim Verschiffen nicht nur leere Gastanks, sondern eine Tankspülung. Die Anzeige-Nadel zeigt auf Null. Trotzdem fackle ich noch stundenlang durch Heizen bei offenen Fenstern, einer Herdflamme und laufendem Kühlschrank Gas ab. Am Morgen ist noch viel Gas drin, trotz meiner fast durchwachten Nacht. Der Tankspülmann macht kurzen Prozess. Er hängt die Leitung ab, das Gas strömt in die weite Welt. Darauf spült er die Tanks mit Nitro und fertig ist Entleerung. Die Kanadier verlangen diese totale Spülung seitdem vor sechs Jahren bei einem Hochseesturm ein Container sich im Schiffsinnern abgedreht und ein Womo aufgeschrammt hat. Dabei hat der Container auch den Gastank aufgeschlitzt. Das hochentzündliche Propan-Flüssiggas hat sich entflammt und einen Schiffsbrand ausgelöst. Vor vierzehn Tagen hat ein sparsamer Camper seine Gasflasche in der Dusche versteckt. Die Hafenpolizei hat dies aufgedeckt. Das Schiff ist ohne das Wohnmobil gefahren. Nach einer Woche hat er die Leerfahrt und die Überfahrt bezahlt. So etwa neuntausend Franken. Das hätte er mit einer Spülung für sechzig Franken zum halben Preis bekommen.
Béatrice und Urs fliegen nach vier Wochen und siebentausend erfahrenen Kilometern von Halifax nach Zürich zurück. Nachts will ich sie zum Flughafen fahren. Erst kurven wir auf der Suche nach einer Dieseltankstelle in der Stadt umher. Am Flughafen solle ich sie vor dem Gebäude schnell ausspucken und zum Camp zurückfahren, um mich nicht um den Mitternachtsschlaf zu bringen. Dort angekommen, finden es meine Gäste doch besser, wenn ich parke und sie mit ihren Koffern zum Check-In begleite. Eine Dame vom Bodenpersonal zeigt sich beim Check-In-Automaten voller Humor und hilfsbereit. Ups, der Pass von Béatrice wird nicht akzeptiert! Ein Blick auf die Innenseite zeigt das Foto von Lorenz Hermann… Zum Glück habe ich mich nicht vor dem Flughafengebäude verabschiedet, sondern bin leibhaftig da und..! Ein Griff in meine Hosentasche fördert ihren Pass ins Neonlicht! Die Schrecksekunden sind vorbei. Béatrice kann den Flug über London nach Zürich zusammen mit Urs antreten.
Die Rückverschiffung des Womos ist durch Seabridge (Meeresbrücke) bestens vorbereitet. Bei der Speditionsfirma in Halifax dauert der Prozess gerade mal zwei Minuten und bei der Abgabe am Hafen zehn Minuten. Das ist erfreulich, aber leider werde ich ab jetzt (15. Oktober 15) während der nächsten drei Wochen ohne mein bequemes, rollendes Zuhause unterwegs sein. Wie soll ich das nur aushalten?
In den vier Hotelnächten in Halifax bis zu meinem Rückflug in die Schweiz finde ich Gelegenheit auf meine sechzehn Monate lange Reise auf dem nordamerikanischen Kontinent zurück zu schauen.
Bilder und Berichte über die grandiosen Landschaften und Tiererlebnisse haben dich auf meiner Webseite stets begleitet. Der Kontinent zeigt sich überall einfach sooou schöön!
Kein Tag, wirklich kein Tag war mir zu viel. Darüber staune ich zum Nachhinein nach insgesamt vier Jahren Fahrt seit der Pensionierung.
Die 75750 Kilometer in Nordamerika bin ich fast immer bei geringem Verkehr gefahren, nie im Stau, nicht einmal in Vancouver, San Franzisco, Los Angeles, Miami, Chicago oder Boston. Nur zwei Mal habe ich bei Ausfahrten umgekippte Sattelschlepper gesehen, sonst keine Unfälle!
Probleme mit meinem Womo hatte ich relativ oft und viel für deren Lösung bezahlt, abgesehen von den Gratiseinsätzen meiner Gäste und hilfsbereiten Menschen von der Strasse. Die Beratung und Lieferungen durch Fürk AG (IVECO) in St. Gallen und CCC (CARTHAGO) in Arbon war hervorragend. Die Beratungen und Klärungen von Hans, Kerry und Craig haben mir viel Aufgeschmissensein erspart.
Feine Begegnungen mit freundlichen Menschen, seien es Einheimische in Kanada und USA oder europäische Touristen, hatte ich häufig.
Die Rückmeldungen durch SMS, E-mails, Sype und Telefonate haben mir immer das Gefühl von echter Verbundenheit und Heimat geschenkt.
Sieben Mal sind verschiedene Gäste mit mir gereist. Ich habe mich darüber sehr gefreut und danach auch das Alleinsein wieder genossen. Beides ist soou schöön!
Der längere Aufenthalt bei Verwandten und Bekannten und die Gottesdienste bei den Carmeliterinnen in Reno war ein besonderer Genuss.
In allen Gegenden habe ich mich vor Übergriffen und Dieben sicher gefühlt, auch nachdem mir in Santa Barbara mitten in der Stadt ein abgeschlossenes Fahrrad geklaut wurde.
Während allen sechzehn Monaten bin ich - Gott sei Dank - kerngesund und unternehmungsfreudig geblieben.
Halifax lerne ich noch besser kennen als bei der Anreise vor sechzehn Monaten. Viele stille Wohnquartiere gefallen mir und einige Restaurants.
Jeanne fährt mich am letzten Tag meiner Nordamerikareise (19.Oktober 15) nach Peggy`s Cove, einem hübschen Fischerdorf. Hier besuchen wir die Gedenkstätte des Flugzeugunglücks von Swissair im Jahre 1998. Um 22 Uhr ist Abflug. Mein Flug mit der Iceland Air von Halifax nach Keflavik (Iceland) und weiter nach Zürich Kloten verläuft ruhig. Aufregender ist die Begrüssung am Flughafen. So liebe Menschen, sooou schööön!
Martina und Marco fahren mich nach Vilters, wo mein Schwager Sepp ein Fondue vorbereitet hat. Bei Sepp, in Beckers Elternhaus, findet sich auch ein Zimmer für mich. Wie willst du nächstens nach Bern fahren?“ „Nicht mit dem Zug, aber ich werde erst nach einem Auto fragen, wenn der Termin nahe kommt, damit niemand meinetwegen seine Pläne ändert“. „Hast du das Auto mit Luzerner Nummernschilder vor dem Haus gesehen?“ „Ja, hast du es eingewechselt?“ „Nein, das gehört jetzt dir bis Ende Jahr!“ So eröffnet Sepp sein Geheimnis! Was bin ich froh darüber! Welche vorausschauende Grosszügigkeit von meinem Schwager und seiner Schwester Annelies und von Walter, der vorausschauend schon mal die Winterpneus montiert hat. Zehn Minuten später ein SMS: „Du kannst in den nächsten vierzehn Tagen unsere Stadtwohnung mitsamt unserem Auto benutzen!“ So sind Verwandte und Freunde in der Schweiz zu Heimatlosen wie mir. Sooou schöön.
Alle meine Verwandten treffe ich nach sechszehn Monaten wohlbehalten an. Bei Gott keine Selbstverständlichkeit. Dank sei Gott!
Dank meiner geschenkten Beweglichkeit im Auto besuche ich meine Freunde Alexandra, Markus und Nicolaj in Kilchberg ZH und geniesse das Gospel-Konzert in der Evangelischen Kirche. Hej, Kultur!
Freunde in Bern, Helen, Stefan, Meret und Eliah, geben mir Zwischenstation und Verpflegung für Wanderungen. Wo liegt das Justistal? Über Sigriswil. Und wo ist Sigriswil? Nahe Thun. Das freundliche Justistal mit dem abschliessenden Sichel-Pass und dem Niesen ist mit Jagdbann belegt. Darum fühlen sich Hirsche, Rehe, Gemsen und Adler sicher. Sie alle verlassen ihre Verstecke bei Sonnenuntergang, suchen uns mit scharfem Auge nach Waffen ab und grasen dann ruhig weiter.
Das Glental bei Meiringen, Innertkirch mag bekannt sein. Im Engstlenbach entdeckt Stefan Forellen. Hier sei die Welt noch in Ordnung, meint er. Glasklares Wasser liegt im Engstlensee vor dem Titlis. Und auch im Tannensee auf der Ebene von Tannalp, 2000müM. Sooou schöön.
„Sind so kleine Hände…“ Der kleine Yaro Lean hat auf mich gewartet. Am 27. Oktober schreit er zum ersten Mal „sooou schööön!“ und er beatmet seine 3250 Gramm ganz selbständig. Seine Schwestern Elin und Mila werden ihm als Erstes das Womo-Fahren beibringen. Seit ihren Ferien in San Francisco und Kalifornien zählen die Mädchen alle Womos auf Schweizer Strassen. Nadine und Tobias in Abtwil sind der drei Kinder glückliche Eltern.
Wir herzlich ist das Wiedersehn mit meinen damaligen Mitarbeitenden und Freunden in St. Gallen! Sooou schööön!
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